TLZ, 31.8.2007, S. 1
FDP: Stoppt die Behördenreform
Althaus soll einen unabhängigen Beraterstab berufen
von Hartmut Kaczmarek
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Erfurt. (tlz) Die Landesregierung soll die Behördenstrukturreform in Thüringen sofort stoppen. Das hat FDP-Landeschef Uwe Barth gefordert. "Was bisher geschehen ist, ist wenig und falsch", erklärte Barth in einem TLZ- Interview. Thüringen befinde sich mit der Kommunalisierung der Umwelt- und Versorgungsämter auf einem auch von Experten für falsch gehaltenen Weg. Die Landesregierung hält trotz großer Bedenken gerade von Städten und Gemeinden aber an ihrem bisherigen Zeitplan fest. Danach soll die Reform am 1. Januar 2008 in Kraft treten. Der Gemeinde- und Städtebund hatte bereits mehrfach erklärt, dass dieser Zeitplan nicht zu halten ist.
Die FDP, die mit der CDU 2009 gemeinsam in die Landesregierung einsteigen will, fordert jetzt, die Reform ganz zu stoppen. Barth schlägt vor, Althaus solle stattdessen einen unabhängigen Beraterstab aus Verwaltungsfachleuten zu berufen(ja das steht so im Artikel). Dieses Gremium könnte dann ein schlüssiges Konzept entwickeln. Dabei sollte man auch über Thüringens Landesgrenzen hinausschauen, empfiehlt Barth mit Nachdruck. "Es gibt in anderen Ländern durchaus Erfahrungen, von denen man lernen kann."
Heftig kritisierte Barth das Vorgehen des Landes, erst Fakten zu schaffen und dann einen Landtagsbeschluss einzuholen. "Das ist ein für Parlamentarier nicht hinnehmbarer Weg", so Barth. Das Parlament müsse über die Organisation der Verwaltung entscheiden.
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TLZ, 31.8.07, Landesspiegel
"Dann macht es eben Richard Dewes..."
Die FDP will in Thüringen bei den Landtagswahlen 2009 Rot-Rot verhindern
TLZ: Die FDP will gemeinsam mit der CDU in Thüringen alles besser machen. Wie soll das gehen?
Barth: Ich bin sicher, die FDP schafft den Sprung in den Landtag. Wir werden alles tun, um eine rot-rote Landesregierung zu verhindern. Und weitere fünf Jahre CDU-Alleinregierung sind den Thüringern auch nicht zuzumuten. Man stellt doch jetzt schon überall Verschleiß und Lustlosigkeit fest. Die Landespolitik braucht frischen Wind. Und den wird die FDP bringen. Als Sachthemen nenne ich nur Bildungspolitik, eine engere Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft, eine Kreisgebietsreform und Perspektiven für den ländlichen Raum.
TLZ:
Braucht die CDU die FDP wirklich?
Barth: Schauen Sie sich doch die Umfragen an. Die CDU liegt bei 40 Prozent und jubelt. Dabei übersieht man geflissentlich, dass Rot-Rot bei 50 Prozent liegt. Und in der Landespolitik läuft doch vieles in die falsche Richtung. Selbst CDU-Politiker sagen mir, so kann es nicht weitergehen.
TLZ: Was läuft denn falsch?
Barth: Nehmen Sie die Behördenstrukturreform. Bald können wir den dritten Jahrestag der Ankündigung dieser Reform feiern. Und jetzt wird überhastet versucht, Falsches umzusetzen. Alle Experten sagen, das kann so nicht funktionieren weder bei den Versorgungsämtern noch in der Umweltverwaltung. Ein anderes Beispiel: Die ausbleibende Kreisgebietsreform.
TLZ: Glauben Sie wirklich, Sie könnten Althaus von seinem strikten Nein abbringen?
Barth: Ich denke, die FDP hat ein überzeugendes Konzept übrigens als einzige Partei. Die vier oder fünf Großkreise der Linkspartei sind unrealistisch. Wir wollen eine Kreismindestgröße von 150 000 Einwohnern. Bei unserem Konzept kommen wir auf zehn Kreise und eine kreisfreie Stadt, nämlich Erfurt. Das ist realistisch und machbar und würde Thüringen voranbringen.
TLZ: Stichwort Bildung. Nach den jüngsten Bewertungen auf nationaler Ebene steht Thüringen doch gar nicht so schlecht da.
Barth::
Das ist richtig. Aber es gibt noch viel Nachholbedarf. Beispielsweise beim längeren gemeinsamen Lernen. Hier verweigert sich die CDU völlig.
TLZ: Längeres gemeinsames Lernen als FDP-Programm? Da werden sich aber SPD, Grüne und Linke freuen.
Barth: Wir sind für längeres gemeinsames Lernen mindestens bis zur Klasse sechs. Ich persönlich wäre sogar dafür, die Kinder bis zur 8. Klasse gemeinsam lernen zu lassen. Was aber noch in Thüringen besser gemacht werden kann: Die Vernetzung zwischen Hochschule und lokaler Wirtschaft. Wir vermissen
tatkräftige Schritte.
TLZ: Anderes Thema: Die Behördenstrukturreform macht derzeit Schlagzeilen meist negative. Wie sollte es weiter gehen?
Barth: Wie gesagt, wir feiern bald den dritten Jahrestag der Verkündung der Reform. Und was bisher geschehen ist, ist wenig und falsch. Es fehlt der Landesregierung und dem Ministerpräsidenten einfach ein unabhängiger Beraterstab aus Verwaltungsfachleuten. Die könnten ein schlüssiges Konzept entwickeln und dabei auch über Thüringens Grenzen hinausblicken. Es gibt in anderen Ländern ja durchaus Erfahrungen, von denen man lernen kann.
TLZ: Was tun?
Barth: Die Landesregierung sollte die Behördenstrukturreform sofort stoppen und ein neues Konzept entwickeln lassen.
TLZ: Stattdessen schafft sie Fakten und das auch noch am Parlament vorbei.
Barth: Das ist ein für Parlamentarier nicht hinnehmbarer Weg. Das Parlament ist die gewählte Vertretung des Volkes. Und das Parlament muss darüber entscheiden, wie die Verwaltung organisiert ist. Das gehört zu dem normalen Zusammenspiel zwischen Parlament und Regierung.
TLZ: Kann man einer Regierung noch glauben, die vor Gericht argumentiert, politische Zusagen seien ja nicht bindend?
Barth: Das entsetzt mich schon. Auch politische Zusagen müssen eingehalten werden, wenn man sie so verbindlich abgibt wie dies im Wasser- und Abwasserbereich geschehen ist. Die Politiker müssen sich bei einem solchen Verhalten nicht wundern, wenn ihr Image schlecht ist.
TLZ: Wird die FDP 2009 zum Verhinderer von Rot-Rot in Thüringen?
Barth: Das will ich doch hoffen. Und dafür kämpfen wir auch.
TLZ: Was ist denn schlimmer: Rot-Rot unter Christoph Matschie oder Rot-Rot unter Bodo Ramelow?
Barth: Da will ich keine Bewertung abgeben. Ich halte Rot-Rot generell für schlimm, egal, wer in der Staatskanzlei sitzt.
TLZ: Glauben Sie, dass die SPD bei dem Nein von Christoph Matschie zu Rot-Rot mit einem Linkspartei-Regierungschef bleiben wird?
Barth: Christoph Matschie nehme ich dieses Nein ab. Aber wenn er es nicht macht, dann macht es eben Richard Dewes. Denn eins ist klar: In der SPD-Fraktion gibt es genügend Leute, die unbedingt wieder an die Macht zurückwollen.
TLZ: Warum haben Sie solche Angst vor Rot-Rot?
Barth: Die Linken werden schon keine neue Mauer um Thüringen errichten. Aber schauen Sie sich doch mal die Wirtschaftsdaten der Länder an, die Rot-Rot regiert werden. Diese Länder bilden die Schlusslichter in Deutschland. Ich bin sicher: Investoren werden bei einer solchen Konstellation wegbleiben.
TLZ: Aber die Wirtschaft kann sich durchaus vorstellen, sich mit Ramelow zu arrangieren. Ist er nur der Wolf im Schafspelz?
Barth: Ich will das gar nicht persönlich bewerten. Davon halte ich nichts. Persönliche Sympathien und Antipathien sind zweitrangig. Mir geht es um die Sache. Ich habe die Reden vom Gründungsparteitag der Linkspartei alle gelesen, von Gysi über Bisky bis Lafontaine. Verdächtig oft taucht dabei da die Formulierung auf, man müsse die Systemfrage stellen. Meinen Sie, das schafft Vertrauen?
TLZ: Althaus ist dabei, in Sachen Hartz IV die SPD links zu überholen. Was halten Sie davon?
Barth: Er hat sich das falsche Thema ausgesucht. Eine vierköpfige Familie, die von Hartz IV lebt, hat etwa 2000 Euro im Monat zur Verfügung. Schauen Sie sich doch mal die Verdienste von Friseurinnen oder Arzthelferinnen an. Oder von Lehrern im Floating oder Polizisten im mittleren Dienst. Hier sollte sich Althaus um eine Verbesserung der Einkommenssituation bemühen.
TLZ: Hartz IV soll so bleiben?
Barth: Natürlich müssen die Sätze regelmäßig überprüft werden. Aber hören wir doch auf, immer von den 345 Euro zu reden, mit denen ein Hartz IV-Empfänger auskommen muss. Ich war jetzt bei einer Familienfeier. Unter den Gästen war auch ein alleinstehender Hartz IV-Empfänger. Mit Wohngeld und Krankenkassenbeitrag sind das auch mehr als 750 Euro im Monat.
TLZ: Ihre Einkommens-Argumentation zu Ende gedacht: Braucht Deutschland dann nicht einen Mindestlohn?
Barth: Hartz IV ist faktisch ein Mindestlohn in Deutschland. Unser Sozialversicherungssystem soll Menschen in Notlagen auffangen. Aber wir brauchen dann auch Anreize für diese Menschen, selbst alles zu tun, um aus dieser Notlage wieder herauszukommen. Wir führen derzeit eine völlig falsche Diskussion.
TLZ:
Kommen wir noch mal auf die FDP. Wenn es mit der CDU gemeinsam noch immer nicht reichen sollte, sind dann auch die Grünen ein möglicher Koalitionspartner?
Barth: Die Frage stellen Sie besser an die Grünen.
TLZ: Haben wir schon.
Barth: Und Astrid Rothe-Beinlich hat ja ziemlich deutlich gemacht, dass sie mit der FDP nichts zu tun haben will.
Zunächst haben einmal die Wähler das Wort. Dann geht es darum, aus diesem Votum die bestmögliche Regierung für das Land zu bilden. Prinzipiell gilt natürlich: Alle demokratischen Parteien sollten untereinander koalitionsfähig sein.
TLZ: Womit will die FDP 2009 punkten?
Barth: Mit den Themen Wirtschaft und Wissenschaft. Mit unserem Angebot für die Kreisgebietsreform. Mit dem bildungspolitischen Angebot.
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Bildunterschrift Uwe Barth:
Klares Ziel: Rot-Rot in Thüringen soll verhindert werden. Aus eigener Kraft wird die CDU das nach Meinung des FDP-Landesvorsitzenden Uwe Barth nicht schaffen. Deshalb seien die Liberalen in Thüringen wichtig.