TLZ, 11.5., S. 1
Liberale gegen Kammerpflicht
Für die Auflösung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern machen sich die Thüringer Liberalen stark. Sie wollen beim Bundesparteitag am Wochenende in Rostock dem weitgehenden Vorstoß des Bundesvorstandes zustimmen, erläutert im TLZ-Gespräch
FPD-Generalsekretär Patrick Kurth.
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TLZ, 11.5., Landesseite
Liberale wollen Reform im Kammerwesen
Pflichtmitgliedschaft abschaffen Freiwilligkeit fördern
Mit 19 Delegierten und weiteren Funktionären macht sich die Thüringer FDP nach Rostock auf. Dort treffen sich Deutschlands Liberale am Wochenende zum Bundesparteitag. Auf dem Programm stehen diesmal keine Wahlen und doch werden die Liberalen vor allem mit einer Forderung von sich Reden machen: Es geht um die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft von Unternehmen in den Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern. Thüringen stellt dazu keinen eigenen Antrag hat sich aber bereits im Vorfeld klar positioniert, wie FDP-Generalsekretär Patrick Kurth erklärt. Die Liberalen aus dem Freistaat wollen dem weitgehenden Antrag der Bundespartei folgen. Wir wollen das Kammerwesen reformieren, macht Kurth deutlich. Der Antrag des Bundesvorstandes ziele auf die Auflösung der Pflichtmitgliedschaft, die von Kritikern Zwangsmitgliedschaft genannt wird. Es gibt verschiedene Gruppierungen aus der Wirtschaft, die schon lange das bisherige Kammersystem als überholt kritisieren.
Die Kammern sollten in privatrechtlich organisierte Vereine überführt werden. Wir wollen nicht die Auflösung der Kammern, macht Kurth deutlich und er sieht auch weiterhin Aufgaben, die von den Kammern im allgemeinen Interesse übernommen werden können. Die Kammern sollen sich dann akkreditieren können, um staatliche Aufgaben wahrzunehmen, so der Generalsekretär. Zugleich erinnert er, dass diese Forderung aus Thüringer Sicht keineswegs neu sei: Wir haben das auch schon im Landtagswahlkampf gefordert. Ein weiterer Themenschwerpunkt in Rostock soll bei den Leitlinien zur Umweltpolitik liegen.
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TLZ, 12.5.
Kammern pochen auf Existenzrecht
Grusser: Agieren im Interesse der Region
Entschiedenen Widerspruch erntet die Thüringer FDP für ihren Vorstoß, die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern abschaffen zu wollen. Erfurts IHK-Hauptgeschäftsführer Gerald Grusser verweist im TLZ-Gespräch auf den Gedanken der Solidargemeinschaft, der dem Kammerwesen zu Grunde liege. 43 Prozent der 58.000 Pflichtmitglieder seien derzeit beitragsfrei gestellt und erhielten dennoch Leistungen.
Nur 12.000 Unternehmen zahlten neben dem Grundbeitrag einen ertragsabhängigen Obolus.
Nach der Wende hätten sich Privat-Unternehmer zur Selbstverwaltungsorganisation zusammengeschlossen noch ehe die Kammern gebildet wurden. Grusser sieht die Kammern als Solidargemeinschaft, die auch ordnungspolitische Aufgaben wahrnehmen. Es seien vor allem große Unternehmen, die es mit ihren Beiträgen ermöglichen, dass Aufgaben im Interesse der Region wahrgenommen werden. Für Grusser zählen dazu auch Hilfen bei Existenzgründungen. Würden die Kammern privatisiert, wären solche Angebote nur zu deutlich höheren Preisen zu haben.
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OTZ, 12.5.
"Wettbewerb statt Zwangsmitgliedschaft in Kammern"
FDP-Landesparteichef Uwe Barth zu Themen und Strategie-Ideen der Liberalen beim Bundesparteitag in Rostock.
Beim Bundesparteitag der FDP am Wochenende in Rostock unterstützen die Thüringer Delegierten einen Antrag, den Kammerzwang abzuschaffen. Mitten im Frühling ein Sommerloch-Thema?
Das ist es nicht. Wir Liberalen beschäftigen uns seit Jahren mit der ziemlich sperrigen Materie und hatten dafür sogar eine Kommission berufen. Die legt in Rostock nun ihr Arbeitsergebnis vor.
Ein Verein kämpft schon viel länger, aber vergeblich gegen die IHK-Zwangsmitgliedschaft.
Ich weiß. Wir wollen ja auch nicht die IHK und die Handwerkskammern abschaffen. Sondern nur den Zwang der Betriebe, dort Mitglied zu sein. Es gibt Alternativen, die Aufgaben der Kammern zu regeln und auch hier mal etwas Wettbewerb zuzulassen. Mal sehen, worauf der Parteitag sich einigt.
Hat die "Steuersenkungspartei" nichts anderes zu tun?
Aber ja, bei der Politik dieser Großen Koalition geht uns das Thema Steuern ganz sicher nicht verloren. Aber ein Parteitag muss schon etwas mehr leisten als eine Steuerdiskussion.
Die FDP wird sich über ihren politischen Kurs der kommenden Jahre neu verständigen, beispielsweise in der Energiepolitik.
Fort mit den Windrädern der Grünen, her mit der Atomkraft?
Der deutsche Ausstieg aus der Kernkraft scheint besiegelt zu sein. Nur war Rot-Grün zu fix bei der Sache. Wenn wir die gesteckten Ziele im Klimaschutz einhalten wollen, sind die Atommeiler auf längere Sicht unverzichtbar. Gleichzeitig aus der Kernenergie und aus den fossilen Energieträgern aussteigen zu wollen, wird nicht funktionieren.
Ein neuer Vorstand wird in Rostock nicht gewählt. Rechnen Sie damit, dass Parteichef Westerwelle einen Schwenk vom bisherigen Wunschpartner CDU weg versuchen wird?
Aus meiner Sicht ist eine Öffnung nötig. Für künftige Wahlkämpfe sollte die CDU wieder wissen, dass wir Liberalen in Koalitionsfragen auch andere Optionen haben. Der neue Mann an der Spitze der SPD ist doch ein gutes Beispiel dafür. In der sozial-liberalen Koalition in Rheinland-Pfalz unter Kurt Beck haben die Partner brauchbare Erfahrungen gesammelt. Von Becks Steuer-Ideen im Bund mal abgesehen.
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TA, 12.5.
IHK kritisiert FDP-Vorschlag
Die Thüringer FDP fordert die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft von Betrieben in
Industrie- und Handelskammern. Auf dem Bundesparteitag am Wochenende in Rostock werde man sich für einen entsprechenden Antrag stark machen, sagte Generalsekretär Patrick Kurth. "Wir müssen bei Wirtschaftsverbänden endlich Wettbewerb herstellen." Zudem sollten die Kammern nicht mehr öffentlichrechtlich, sondern privatrechtlich organisiert werden.
Der Hauptgeschäftsführer der IHK-Erfurt, Gerald Grusser, hat die Vorschläge der FDP kritisiert. Die Debatte werde zu kurzsichtig geführt und ohne wirkliche Alternativen aufzuzeigen. Ihre Aufgaben können die IHK nur mit öffentlich-rechtlichem Status und Pflichtmitgliedschaft erfüllen.
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OTZ, 15.5.
FDP kritisiert "Koalition der Wortbrüche"
Westerwelle attackiert Union und SPD - Parteitag: Kammerzwang für Unternehmen bleibt
Die FDP will auf scharfen Gegenkurs zur großen Koalition gehen und enttäuschte Wähler von Union und SPD ins Boot holen. Das kündigte Parteichef Guido Westerwelle zum Abschluss des FDP-Parteitags am Sonntag in Rostock an.
Westerwelle sagte, viele Menschen hätten sich nach den Wortbrüchen der Union beim Anti-Diskriminierungsgesetz und der SPD bei der Mehrwertsteuererhöhung auf den Weg gemacht. "Entweder werden das Nichtwähler oder sie kommen zur FDP, wenn wir's gut machen." Union und SPD prangerte Westerwelle als "Notgemeinschaft der Wahlverlierer" an. Vor allem die SPD habe sich mit ihrer "Mehrwertsteuerlüge" an die Regierung "heranbetrogen".
Die Delegierten setzten in Leitanträgen neue Akzente in der Umwelt- und Energiepolitik und beendeten vorerst einen jahrelangen Streit über den Kammerzwang. Die FDP befürwortet längere Laufzeiten bestehender Kernkraftwerke, solange sie den Sicherheitskriterien entsprechen. Zugleich wird die Kernspaltung als "Übergangstechnologie" bezeichnet. Am Samstag hatte sich der Parteitag nach heftiger Debatte grundsätzlich für die Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern ausgesprochen. Die Thüringer FDP hält trotzdem an ihrer Ablehnung der Zwangsmitgliedschaft in den Handelskammern fest. "Wir bleiben dabei: Es ist grundsätzlich fragwürdig, wenn die Wirtschaft dazu gezwungen werden kann, einer Interessenvertretung beizutreten", sagte gestern Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth. Die Thüringer FDP bevorzugt eine freiwillige Mitgliedschaft und will das auf einem der nächsten Parteitage erneut zum Thema machen.
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OTZ, 15.5.
Kommentar: Verkehrter Sparansatz
Nicht nur den Thüringer Liberalen ist die Zwangsmitgliedschaft von Unternehmern in den Industrie- und Handelskammern (IHK) ein Dorn im Auge. Seit langen kämpft auch der Verein der IHK-Verweigerer gegen die gesetzliche Mitgliedspflicht. Sind nun die Kammern tatsächlich so überflüssig wie ein Kropf, wie die Thüringer Liberalen es einem glauben machen wollen?
Fakt ist, dass die Kammern eine Fülle von Aufgaben und Zuständigkeiten bündeln. Sie machen Druck beim Thema Aus- und Weiterbildung, sind Ansprechpartner für Existenzgründer, organisieren Kontakte, Messen und sind nicht zuletzt Sprachrohr der Wirtschaft einer Region. Entfiele die Zwangsmitgliedschaft, wären all diese Aufgaben einer IHK hinfällig, weil die finanzielle Basis fehlt.
Nur, was hat eine Region davon? Praktisch nichts. Die Wirtschaft würde nach Belieben agieren, schwache, aber zukunftsfähige Regionen würden von der Entwicklung abgekoppelt. Statt die Kammern abschaffen zu wollen, sollte man sie lieber stärken. Die Haltung der Thüringer Liberalen zur IHK-Mitgliedschaft ist ein verkehrter Sparansatz. Eine von der Leine gelassene Wirtschaft kann auch Thüringen nicht verkraften.
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TLZ, 15.5.
Liberale für Kammerpflicht
Keine Mehrheit fand die Thüringer FDP für das Ende der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern. Beim Bundesparteitag der Liberalen konnten sie aber zwei eigene Anträge in die Gremien weiterleiten.
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TLZ, 15.5.
Einer geht in die Offensive
Westerwelle übt sich in neuer Rolle
Von Koalitionen war keine Rede mehr. Mit neuer Machtfülle ausgestattet, hat Guido Westerwelle seine FDP jetzt vielmehr auf den eigenständigen Kampf um neue Machtpositionen eingeschworen. "David gegen Goliath" - "Asterix gegen die Römer": jedes Bild war dem Partei- und neuerdings auch Fraktionschef in Rostock recht, um neues Selbstbewusstsein zu zeigen: "Unser Zaubertrank ist die Freiheit." Und im Zweifelsfall: "Einer gegen alle." Beim ersten Parteitag nach dem Abschied von Wolfgang Gerhardt als Fraktionschef wurde aber auch deutlich: Der Chef, der nun im Bundestag und an der Parteispitze führt, bestimmt hier noch längst nicht alles alleine. Westerwelle ist noch auf dem Weg vom Spaßpolitik-Vertreter zu einer Größe, die sich im Schatten von Hans-Dietrich Genscher als unübersehbar wähnen darf.
Die Thüringer Liberalen hatten - wie berichtet - den weitreichenden Vorstoß des FDP-Bundesvorstandes unterstützen wollen, um ein klares Signal gegen die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern zu setzen. Die Thüringer FDP hält nun aber trotz eines entgegengesetzten Votums an ihrer Ablehnung der Zwangsmitgliedschaft von Unternehmen in den Handelskammern fest. "Wir bleiben dabei: Es ist grundsätzlich fragwürdig, wenn die Wirtschaft dazu gezwungen werden kann, einer Interessenvertretung beizutreten", sagte Generalsekretär Patrick Kurth im TLZ-Gespräch. Die Thüringer Delegierten hätten sich mit einem Änderungsantrag nicht durchsetzen können, wonach die Unternehmen wenigstens die für sie zuständige Kammer frei wählen können sollten, sagte Kurth. Für Thüringen stelle sich nunmehr die Frage, ob drei Industrie- und Handelskammern mit jeweils einem Geschäftsführer und einem Präsidenten notwendig seien. "Sogar die Gewerkschaften kriegen es hin, Strukturen zu reformieren, aber die Kammern nicht", kritisierte Kurth. Die Thüringer FDP will die umstrittenen Zwangsmitgliedschaften in Kammern auf einem der nächsten Parteitage erneut zum Thema machen.
Westerwelle (44) ist zwar nicht, in der Regierung, aber in seiner Partei dort angekommen, wo er hin wollte. Als Alleinherrscher" sieht er sich aber nicht. "Die Vorstellung, man könnte in der FDP oben ein Kommando geben und alle Liberalen würden dann die Hacken zusammenschlagen und rufen "Wir folgen dir", ist völlig abwegig und passt nicht zum Charakter der FDP." So richtet sich Westerwelle mit seiner Partei zunächst auf harte Oppositionsarbeit ein. Koalitionspartner sind bis auf weiteres nicht in Sticht. Die "privilegierte Partnerschaft" mit der Union aus Zeiten des Wahlkampfs ist vorerst passe und die Enttäuschung in der FDP spürbar: "Wir sind die einzige Partei, die bei dem bleibt, was sie vor der Wahl gesagt hat."
Westerwelles Hoffnung ist nun, dass vor allem enttäuschte Unionswähler Zuflucht unter seinen Fittichen suchen. Schon das setzt Grenzen für ein Liebäugeln mit der Koalitionsoption SPD. Das Thema Steuererhöhung wird der FDP-Dauerbrenner bleiben. Einen Schmusekurs in der Opposition wird es mit Westerwelle auch nicht geben. Der neue Fraktionschef setzt weiter auf den strategischen Niedergang von Linkspartei (mit Rückkehr in den Schoß der SPD) und Grünen (mangels Themen und Unterbau in den Ländern). Die FDP
könnte somit wieder die exklusive Rolle als Mehrheitsbeschafferin für Union oder
SPD einnehmen, meint Westerwelle. Ob das nur ein Traum bleibt, weiß Westerwelle heute noch nicht. Jetzt will er erstmal die Partei personell und programmatisch stabilisieren. Nachwuchskräfte wie Daniel Bahr (NRW) und Philipp Rösler (Niedersachsen) bekamen in Rostock eine besondere Plattform bei der Antragsberatung. Birgit Homburger erhielt ein Sonderlob samt Blumenstrauß vom Parteichef für die gelungene Regierungsbildung in Baden-Württemberg. Wolfgang Gerhardt wurde mit großem Beifall und Anerkennung für bisherige Leistungen in die zweite politische Reihe verabschiedet.
Harmonie auf der ganzen Linie. Bis auf den leidigen Streit um die Zwangsmitgliedschaft in den Kammern - ein Thema, bei dem viele auch in der Partei noch Reste alter FDP-Klientelpolitik sehen. Über diesen Schatten wollte die klare Mehrheit der Delegierten nicht springen. Die Kammerpflicht soll bleiben und damit auch ein Dauerthema der FDP.
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TA 15.5.
Ende der Gemütlichkeit
Die Freien Demokraten gehen auf ihrem Parteitag mit der großen Koalition hart ins Gericht
Die PDP hat auf ihrem Bundesparteitag der großen Koalition wegen der geplanten Mehrwertsteuererhöhung versagen in der Finanzpolitik vorgeworfen. Den Grünen will sie die Meinungsführerschaft beim Umweltschutz streitig machen.
Plakate hochhalten, Schwarz-Rot und deren Mehrwertsteuerpläneattackieren, in der Hanse Messe läuft der Liberalen-Chef Guido Westerwelle, seit kurzem auch Chef der Bundestagsfraktion, wie in besten Wahlkampfzeiten zur Hochform auf. Die SPD habe sich mit der Mehrwertsteuer-Lüge an die Regierung "heranbetrogen", wettert er. Wenn sie vor der Wahl gesagt hätte, sie wolle die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte erhöhen, wäre sie nie in die Regierung gekommen. "Die Umfaller sind jene, die jetzt regieren." Der Saal tobt. Doch auch die Union bleibt nicht ungeschoren. Was vor der Wahl grundfalsch gewesen sei, könne nach der Wahl nicht grundrichtig sein. "Wer hätte gedacht, dass das Wort von Franz Müntefering, Schwarz ist auch nur ein sehr dunkles Rot, so schnell Wahrheit werden würde", beklagt Westerwelle. Die FDP setzt in der Perspektive darauf, die von Schwarz-Rot enttäuschten Wähler für sich zu gewinnen und fordert. Die Gemütlichkeit des Regierens werde zu Ende sein, wenn all die Auswirkungen schwarz-roter Steuerpolitik bei den Bürgern angekommen seien, prophezeit der Oberliberale. "Dann ist was los." Die Partei besinnt sich in Rostock auf die Bürgerrechte und fordert angesichts der BND-Spitzelaffäre vollständige Aufklärung und Kontrolle. 1994, als zuletzt ein FDP-Parteitag in der Hansestadt über die Bühne gegangen und Klaus Kinkel noch Parteichef war, hatte Hildegard Hamm-Brücher - damals gerade frisch gescheiterte Präsidentschaftskandidatin die Freidemokraten eindringlich gemahnt, die liberalen Werte zu bewahren. Doch die FDP setzt auch verstärkt auf Umweltpolitik, Bildung und Gentechnik.
So will sie sich künftig neuen Wählergruppen öffnen. Im Leitantrag wird eine Neuorientierung bei Umweltthemen gefordert. Der Emotionalisierung und Öko-Symbolik des vergangenen Jahrzehnts wollen die Liberalen eine "rationale Umweltpolitik" entgegensetzen. Neugierig verfolgen die Delegierten, wie Westerwelle und der von ihm entmachtete bisherige Fraktionschef Wolfgang Gerhardt - inzwischen als Nachfolger von Otto Graf Lambsdorf Chef der Friedrich-Naumann-Stiftung - miteinander umgehen. Für den Thüringer Generalsekretär Patrick Kurth, der auf dem Parteitag über die Kommunalwahlen im Freistaat berichtete, steht fest, dass der Wechsel an der Fraktionsspitze unabdingbar war. Eine nicht beschlossene Doppelspitze wäre auf Dauer keine Lösung, ist er sich sicher. Landesvize Lutz Recknagel gibt dennoch zu bedenken, dass eine "herausragende Position Gerhardts, den viele Bürger als seriöse Persönlichkeit schätzen, hilfreich gewesen wäre". Doch letztendlich gehe es nicht um Sympathie, sondern um Inhalte. Beide müssen eine Antwort darauf schuldig bleiben, weshalb Thüringens Landesvorsitzender Uwe Barth nicht mit auf dem Parteitag ist. Die Rede war von "sehr persönlichen Gründen".