Erfurt. Der Generalsekretär und Spitzenkandidat der FDP Thüringen zur Bundestagswahl, Patrick Kurth, MdB, gab der Thüringischen Landeszeitung (TLZ, heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Hartmut Kaczmarek.
Frage: Die CDU zeigt der FDP im Wahlprogramm die kalte Schulter.
KURTH: Zeigt sie nicht.
Frage: Eine Koalitionsaussage wie 2009 wird vermieden.
KURTH: Mir ist bisher nicht aufgefallen, dass in unserem Wahlprogramm die drei Buchstaben CDU auftauchen. Das muss auch nicht sein. Im Wahlprogramm konzentriert man sich auf die eigenen Stärken. Frau Merkel hat aber auch deutlich gemacht, mit wem bürgerliche Politik in diesem Land umzusetzen ist. Und wir Thüringer wissen aus eigener Erfahrung, dass die CDU mit dem falschen Weggefährten an der Hand in eine völlig falsche Richtung laufen kann.
Frage: Aus den Erfahrungen in Niedersachsen wirbt die CDU ja auch offensiv um jede Zweitstimme. Schmerzt Sie das?
KURTH: In Schleswig-Holstein hat die CDU die FDP bekämpft. Die CDU hat dort ihr schlechtestes Ergebnis geholt, die
FDP ihr bestes. In NRW hat die CDU gar keinen Wahlkampf betrieben. Die CDU hat das schlechteste Ergebnis geholt, die FDP das beste. Und in Niedersachsen hat die CDU sich auch für die FDP ausgesprochen. Die CDU hat dort ein sehr schlechtes Ergebnis geholt, die FDP ihr bestes.
Frage: Was lehrt uns das?
KURTH: Ich vermag nicht zu erkennen, wie und ob die Zweitstimmenanteile der CDU dafür verantwortlich sind, wie die FDP abschneidet. Ich will aber auf eine besondere Thüringer Situation eingehen: Hier in Thüringen kommt es auf jede Stimme an. Gerade bei der Erststimme werden vermutlich wenige hundert Stimmen darüber entscheiden, wer den Sprung in den Bundestag schafft.
Frage: Warum soll der Wähler dann FDP wählen?
KURTH: Weil nur mit uns Politik für Deutschlands Mitte gemacht wird. Die Union braucht jede einzelne Erststimme. Die gibt es aber nur, wenn wir ganz deutlich sagen, wer schwarz-gelb will muss auch schwarz-gelb wählen. In dieser Reihenfolge und auf jedem Wahlzettel im Land.
Frage: Das heißt, Sie werden in Thüringen sehr offensiv für ein Stimmensplitting werben?
KURTH: Ich kämpfe für die FDP mit aller Kraft. Ich sage aber auch deutlich: Schwarz-Gelb kann nur dann fortgesetzt werden, wenn Schwarz-Gelb auch gemeinsam kämpft. Die Landratswahlen im vergangenen Jahr haben deutlich gezeigt: Wo die CDU es alleine schaffen wollte, ist sie regelmäßig gescheitert. Dort, wo Schwarz-Gelb gemeinsam angetreten ist, hat man regelmäßig gewonnen. Wir werfen der Union aber keine einzelne Stimme hinterher.
Frage: Auch keine Erststimme?
KURTH: Auch keine Erststimme.
Frage: Aber die CDU wirbt offensiv auch um die Zweitstimme als Merkelstimme.
KURTH: Die Wählerinnen und Wähler wissen, dass Schwarz-Gelb nur weiterregieren kann, wenn man strategisch wählt. Alle anderen Konstellationen werden dazu führen, dass Frau Merkel ihren Stuhl räumen muss.
Frage: Die Option für Merkel ist doch dann eine große Koalition. Oder nicht?
KURTH: Die Sozialdemokraten werden als Voraussetzung für die Koalitionsverhandlungen nennen, dass die Kanzlerin nicht Frau Merkel heißt.
Frage: Eine sehr kühne These.
KURTH: Wenn die Sozialdemokraten es doch täten, würde mich das sehr wundern. Steinbrück hat gesagt, er werde nicht Minister in einem Kabinett Merkel. Das muss man ernst nehmen. Dann wird er eben in einem anderen Kabinett Minister. Ich glaube aber nicht, dass der Fall eintreten wird.
Frage: Sie glauben also an den Erfolg der FDP. Warum kommt sie dann nicht aus dem Umfragekeller heraus?
KURTH: Alles, was in dieser Legislaturperiode erfolgreich gelaufen ist - insbesondere bei der Verschuldungskrise - ist auf intensive Intervention der FDP zurückzuführen. Vielen ist bewusst, dass es die FDP war, die zum Teil Steuerentlastungen erreicht hat, vor allem aber höhere Steuern verhindert hat. Viele Menschen nehmen es der Union übel, dass der Bundesrat die so genannte kalte Progression bei den Steuern nicht gestoppt hat. Es ist völlig unverständlich, dass auch die mitteldeutschen Länder dieser Minimalentlastung für die arbeitende Mitte nicht zugestimmt hat. Denn gerade der Mittelstand in Thüringen ist von dieser kalten Progression betroffen.
Frage: Was machen Sie im Wahlprogramm der CDU nicht mit?
KURTH: Die FDP-Maxime ist klar. Keine neuen Schulden - alles, was man an neuen Leistungen in Angriff nehmen will, muss solide gegenfinanziert sein. Wir wollen sicheres Geld für die Bürger in Europa. Und ich bleibe dabei: Die Mitte muss entlastet werden. Wir können nicht unseren gesamten Wohlstand auf den Schultern derjenigen lagern, die schon jetzt die meisten Lasten tragen.
Frage: Das heißt?
KURTH: Die kalte Progression abschaffen beziehungsweise bekämpfen. Bei den direkten und indirekten Steuern müssen wir zusätzlich das tun, was möglich ist, um diejenigen, die arbeiten und Familie haben, weiter zu entlasten.
Frage: Mütterrente?
KURTH: Wenn sie gegenfinanzierbar ist, habe ich nichts dagegen. Im Moment steht das Thema nicht auf der Tagesordnung, weil der Koalitionsvertrag dazu keine Aussage enthält.
Frage: Renten?
KURTH: Wir wollen als FDP sichere Renten. Wir wollen auch die Angleichung der Ost-West-Renten zu Bedingungen hinbekommen, die Ost-Rentner nicht benachteiligen. Das ist komplizierter als man glaubt. Eine wichtige Säule in der Altersversorgung stellt für uns auch die private Vorsorge dar.
Frage: Aber zwischen dem, was Sie wollen und den Plänen der CDU klaffen Lücken.
KURTH: Das will ich auch hoffen. Vieles von dem, was die CDU vorschlägt, ist mit der wirtschaftlichen Lage in Deutschland nicht vereinbar. Deshalb ist es wichtig, dass die FDP ein ganz klares Programm aufstellen und umsetzen wird.
Frage: Stichwort Mietpreisbremse: Die Forderung ist ja, zumindest formulierungsmäßig, von der Union weichgespült worden.
KURTH: Frage: Ich bin froh, dass der ländliche Raum durch eine Mietbremsbremse nicht weiter geschwächt wird. Durch eine solche Bremse wäre einer der letzten Vorteile, die der ländliche Raum noch hat - günstiges Wohnen - auch noch weg. Und: Keine Mietbremsbremse kann neue Wohnungen in den Städten bauen. Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn die Union hier wieder auf den Pfad der bürgerlichen Tugend zurückgekehrt ist.
Frage: SPD und Grüne sagen, sie wollten mit ihren Steuerkonzepten nur fünf Prozent der Bevölkerung belasten.
KURTH: Dabei lassen sie aber außer acht, dass sie nicht nur bei der Höhe der Abgaben zuschlagen wollen. Sie wollen bei der Gewerbesteuer auch den Kreis der Steuerzahler erweitern, so dass künftig auch jeder Arzt Gewerbesteuer zahlen müsste. Deswegen sind die Rechnungen, die hier aufgemacht werden, unlauter. Rot-Grün hat gemerkt, dass sie mit ihren Steuererhöhungsplänen vor die Wand laufen und werfen jetzt Blendgranaten. Das lassen wir ihnen aber nicht durchgehen. Insbesondere dann, wenn sie erklären, Betriebsvermögen nicht besteuern zu wollen. Das geht überhaupt nicht und ist eine dreiste Wahllüge. Es steht fest: Es wird Steuererhöhungen mit Rot-Grün geben, egal, was auf den Wahlplakaten steht. Wichtig ist, was in den Köpfen vor sich geht. Und die sind auf Staatsdirigismus, Zentralismus und staatliche Fürsorge eingestellt. Das müssen wir verhindern.
Frage: Eine Rentenangleichung Ost-West ist kompliziert. Wie wollen Sie die erreichen?
KURTH: Entscheidend ist, dass es keine Lösung geben darf mit der schlichten Formel der Angleichung an das Rentenrecht ohne begleitende Maßnahmen. Denn: Eine solche Lösung würde die Aufwertung der Rentenpunkte im Osten abschaffen. Diese Aufwertung ist ja im unterschiedlichen Lohnniveau Ost-West begründet. Wir können aber feststellen, dass die Rentenangleichung schneller vonstatten gegangen ist als manche Lohnangleichung. Wir sind ja derzeit bei etwa 91 Prozent des West-Rentenniveaus. Deshalb brauchen wir zunächst eine sichere Berechnungsgrundlage, mit der man feststellen kann, wann die Angleichung auch faktisch erfolgt ist. Wenn wir diesen Zeitraum wissen, können wir auch andere Modelle durchrechnen, beispielsweise mit einer Stichtagslösung.
Frage: Das heißt?
KURTH: Zu einem bestimmten Stichtag würde das Rentenrecht angeglichen. Diejenigen, die davon dann noch negativ betroffen sind, würden eine entsprechende Ausgleichszahlung erhalten. Einen gnadenlosen Populismus mit der Forderung Rentenangleichung sofort, lehne ich ab . Das führt zu einer Benachteiligung ostdeutscher Arbeitnehmer und Rentner. Wir brauchen einen Fahrplan mit gut durchgerechneten Modellen für die Angleichung.
Frage: Frau Lieberknecht hat auch die Ost-West-Angleichung gefordert. Wo sind Unterschiede?
KURTH: Frau Lieberknecht wollte das Thema Rentenangleichung zu einem zentralen Thema ihres Vorsitzes der Ministerpräsidentenkonferenz machen. Es ist nichts gekommen. Ohnehin hat Frau Lieberknecht als Mitglied des CDU-Präsidiums dem Koalitionsvertrag zugestimmt, um dann anschließend gegen den von ihr beschlossenen Vertrag vorzugehen.
Frage: Beispiele?
KURTH: Kalte Progression, EEG-Umlage, Rentenrecht, Stasi-Unterlagengesetz. Die Union hat sich in Thüringen innerhalb kurzer Zeit einen Geistes- und Sinneswandel hingelegt, der vor 2009 unvorstellbar war. Die FDP bleibt die einzige bürgerliche Kraft in Thüringen. Frau Lieberknechts Zwei-Zungen-Politik hilft der Glaubwürdigkeit der CDU nicht weiter.