Zur namentlichen Abstimmung im Deutschen Bundestag über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Drucksache 17/6916) TOP 3a der 130. Sitzung am 29.09.2011 des Deutschen Bundestages hat der FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Kurth eine persönliche Erklärung abgegeben.
"Die Ausmaße der Schuldenkrise sind immens. Der Euro-Raum ist durch einige Mitgliedsstaaten in eine bedrohliche Schieflage geraten. Daran hat Deutschland unter der damaligen Regierung aus SPD und Grünen erheblichen Anteil, wenn sie nicht gar eine wesentliche Ursache für die Probleme sind. Es rächt sich bitterböse, dass die Regierung Schröder/Fischer in unverantwortlicher Weise den Maastricht-Vertrag aufweichte und Griechenland den Weg in den Euro frei machte.
Es ist erschütternd, dass erst 2010, ein halbes Jahr nach dem Regierungswechsel, das dramatische Ausmaß in Griechenland bekannt wurde. Die Frage stellt sich, warum frühere Bundesfinanzminister über die Vorgänge und Zustände nicht informiert waren oder (viel wahrscheinlicher) die Öffentlichkeit bzw. das Parlament nicht informiert haben. Es ist schwer nachvollziehbar, warum die Bundesfinanzminister Hans Eichel und Peer Steinbrück entweder kein Wissen über die Zahlungsschwierigkeiten hatten oder vielmehr ihr Wissen der Öffentlichkeit vorenthielten. Nicht nur die Ursachen der jetzigen Krise gehen zu einem gehörigen Teil auf das Konto von SPD und Grünen, sondern auch die verschleppte und vernachlässigte Prüfung seit der Griechenland-Aufnahme in den Euro-Raum. Es ist unerhört, dass die Schuld, die die damals Verantwortlichen auf sich geladen haben, nunmehr nachfolgende Abgeordnetengenerationen abzutragen haben. Geradezu unappetitlich ist es, wenn die damals Verantwortlichen heute meinen, oberkluge Hinweise und wohlfeile Kritiken von sich geben zu müssen.
Ich persönlich bin außerordentlich unzufrieden darüber, dass wir nicht nur zur Lösung von Problemen beitragen müssen, die durch falsches politisches Handeln, das meinen politischen Überzeugungen widerspricht, entstanden sind, sondern dafür auch noch von den Verursachern dieser Krise regelrecht beschimpft werden. Diese dramatische und sich stets verschärfende Situation wurde - grob ausgedrückt - durch Ausgabenwollust und unzureichende Einnahmeerhebung politisch Agierender hervorgerufen. Die eigene Schuld verdrängen SPD und Grüne und wollen nunmehr mit Maßnahmen der Schuldenkrise begegnen, die diese Krise erst verursachten. Wäre es nach Rot-Grün gegangen, hätte Deutschland seit 2010 immense Gelder aufgelegt und zur Verfügung gestellt. Diese Gelder wären nicht zur Stabilisierung der Währung oder zur Sanierung der Haushalte genutzt worden, sondern in erster Linie zur Finanzierung der politisch Regierenden aufgebracht worden. Damit hätte sich die Schuldenkrise durch diese rot-grünen Vorstellungen von Anfang an immens vergrößert.
Die schwarz-gelbe Koalition muss nun vor allem Vertrauen herstellen, das durch die Schulden verloren ging. Dabei gibt es aus meiner Sicht Zweifel, ob dies durch die bisherigen Maßnahmen gelingen kann. Hilfen für andere Euro-Staaten gehören nicht zu den Kernaufgaben im Euro-Raum. Die Risiken gerade für Deutschland und den deutschen Steuerzahler sind erheblich. Eine geordnete Insolvenz Griechenlands halte ich nach wie vor für einen Weg, der nicht ausgeschlossen werden darf.
Fraglich ist für mich, ob unter den vorgegebenen Bedingungen die Höhe des EFSF-Schirms bewusst ausgereizt wird oder für den EFSF gar die Möglichkeit besteht, sich selbst - entgegen seinem eigentlichen Auftrag und Sinn - eigenständig weitere Finanzmittel zu akquirieren. So befürchte ich, dass der Fonds angekaufte Anleihen als Sicherheit z.B. bei der EZB hinterlegt, um sich weitere Mittel zu beschaffen. Dies könnte meiner Auffassung nach zu einer Kreditblase mit erheblichen Folgen führen. Ich habe Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der Fraktionssitzung der FDP am 26. September 2011 explizit auf den Umstand der Beleihung von Anleihen aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass diese mögliche zusätzliche (aber sehr riskante) Einnahmequelle weder Sinn des EFSF noch Wille der Gesetzgeber sein kann. Finanzminister Schäuble hat erklärt, dass dieser Fall durch die Guidelines geklärt werde. Außerdem werde es ausdrücklich keinen Hebel oder einen sog. Leverage geben. Auf diese Aussagen vertraue ich.
Nach Durchsicht der rar gesäten Vorschläge der Opposition und mit Blick auf die sonstigen dargebotenen Verfahrensvorschläge muss ich als Parlamentarier nach möglichst bestem Wissen und Gewissen abwägen und entscheiden. Diese Entscheidung fällt ohnehin schwer.
Inzwischen hat sich allerdings eine öffentliche Meinung aufgebaut, die durch effekthaschende Oppositionsführer und darauf abzielende Medien derart befeuert wurde, dass die eigentliche Sachfrage zunehmend in den Hintergrund rückt und es immer schwerer geworden ist, sachliche Antworten zu geben. Auf der anderen Seite wird vielmehr die Koalition auf den Prüfstand gestellt. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass diese Koalition in der Lage ist, Deutschland zu regieren und eben nicht wie unter Rot-Grün in Sachfragen in inflationärer Weise mit Vertrauensfragen zu verbinden.
Insbesondere die Erwartungshaltung und der öffentliche Druck der Opposition sowie die dies verstärkende Medien sorgten dafür, dass ein Zerrbild aufgebaut wurde: Die EFSF-Entscheidung gilt nunmehr als Quasi-Vertrauensfrage (was an sich unfassbar ist) bzw. als Bewährungsprobe für Schwarz-Gelb. Diese Situation macht es mir als Parlamentarier unmöglich, ausschließlich in der Sache abzustimmen.
All dies muss ich berücksichtigen und in mein Abstimmungsverhalten einfließen lassen. Globale Umstände, öffentliche Haltung, das geschlossene Vorgehen der Koalition sowie das in der Sache zu berücksichtigendes Wissen und Gewissen müssen in ein Verhältnis gesetzt werden. In dieser Abwägung habe ich dem EFSF meine Zustimmung erteilt."