Erfurt. Der Landesvorsitzende der FDP Thüringen und Fraktionsvorsitzende der FDP im Thüringer Landtag, Uwe Barth, gab der "Thüringer Allgemeine" (heutige Ausgabe) folgendes Interview. Die Fragen stellte Matthias Thüsing.
Frage: Herr Barth, Sie nutzen den Sommer für Unternehmensbesuche. Welche Stimmung erleben sie dort?
BARTH: Eine überwiegend gute. Die meisten Unternehmer berichten mir, sie seien gut durch die Krise gekommen. Nach den Einbrüchen im vergangenen Jahr, die es gab, hoffen sie schon 2012 wieder auf dem Niveau vor der Krise angekommen zu sein. Geholfen haben dabei die Angebote der Politik, wie etwa die Verlängerung der Kurzarbeit. Das ist genutzt worden.
Frage: Nun ist das Jammern der Gruß der Kaufleute. Wurden denn keine Wünsche an die liberale Politik herangetragen?
BARTH: Es gab ein oder zwei Unternehmer, die wirklich gesagt haben, dass sie gar keine Probleme hätten. Aber etwas worauf ich immer wieder angesprochen werde, ist der Fachkräftemangel. Sowohl bei den Arbeitskräften wie auch auf dem Lehrstellenmarkt. Besonders im Süden, wo die Rate der Auspendler besonders groß ist, gibt es enorme Probleme. Ein zweites Problem sind die gestiegenen Rohstoffpreise weltweit quer durch alle Branchen: Stahl, Getreide, Energie.
Frage: Bleiben wir beim Arbeitsmarkt. Der Mangel an Fachkräften wird allgemein beklagt. Was wäre Ihre Lösung?
BARTH: Da gibt es keine kurzfristige Lösung, die die Politik anbieten könnte. Die Unternehmer müssen ihre Mitarbeiter qualifizieren. Das wissen sie auch. Und sie müssen ihnen darüber hinaus Angebote machen. Hier rede ich von den Löhnen. Wer einen gute Mitarbeiter halten will, muss ihn auch gut bezahlen. Das ist zunächst einmal eine Sache der Wirtschaft.
Frage: Es ist davon die Rede, dass ausländische Fachkräfte geworben werden.
BARTH: Wieder einmal. Aber der Zug ist doch schon verpasst worden. Wir haben den Arbeitsmarkt für qualifizierte Osteuropäer nicht rechtzeitig geöffnet. Und auch für außereuropäische Arbeitnehmer sind die Hürden viel zu hoch gelegt. Die besten ausländischen Arbeitskräfte, die wir jetzt dringend brauchen, haben sich leider schon vor Jahren eine Existenz woanders aufgebaut - etwa in England.
Frage: Nun sollen Griechen und Spanier geworben werden.
BARTH: Kurzfristig ist das auch keine Lösung, die große Entlastung schaffen wird. Denn auch hier gibt es noch Hürden, die erst beseitigt werde müssen. Ich denke an die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Das müsste erst und vor allem schnell geregelt werden.
Frage: Da bleibt also nur die Verbesserung der eigenen Bildungspolitik?
BARTH: Und das ist ja nun eine ganz langfristige Sache. Wenngleich natürlich wichtig. Um so mehr nach den Debatten der vergangenen Wochen um die Schulordnung. Das war kein Meisterstück des Kultusministers. In meiner Ablehnung bin ich auch nicht allein. Während meiner Sommerreise habe ich keinen Gesprächspartner getroffen, der die Abschaffung des Sitzenbleibens oder die Abschaffung der Noten für eine gute Idee gehalten hätte.
Frage: Warum?
BARTH: Wir müssen Schüler auf die Realität des Lebens vorbereiten. Dazu gehört eine ehrliche Leistungseinschätzung. Gerade in den Naturwissenschaften - das bemängeln viele Unternehmer - verlassen viele Schüler die Schule mit Defiziten.
Frage: Ein Thema der vergangenen Monate war die Energiepolitik. Folgerichtig tourt Ministerpräsidentin Lieberknecht durchs Land, um ihren Zickzack-Kurs in der Atompolitik vergessen zu machen. Haben Sie sich mit dem Ausstieg inzwischen angefreundet?
BARTH: Der Ausstieg ist seit 30 Jahren gesellschaftlich gewollt. Seitdem wurde in Deutschland kein neues Atomkraftwerk mehr gebaut. Jetzt wurde er beschleunigt. Das ist eine Tatsache. Das haben wir anerkannt. Aber wenn ich hier ein wenig Wasser in den Wein gießen darf: Frau Lieberknecht sollte den Bürgern auch ehrlich sagen, dass damit die Energiepreise deutlich steigen werden.
Frage: Frau Lieberknecht und Herr Machnig sprechen von einem Cent je Kilowattstunde...
BARTH: Ja, Machnig. Der glaubt nichts, der weiß immer gleich alles. Aber man kann sich Energiepreise nicht herbeiwünschen. Daher gehe ich davon aus, dass der Ausstieg aus der Atomenergie die Energiepreise um wenigstens zehn Prozent verteuern wird. Das sollte ehrlich gesagt werden. Das politische Wunschdenken von Machnig und Lieberknecht in dieser Frage wird meiner Meinung nach schon bald einen harten Bodenkontakt haben. Bezahlen müssen die Rechnung dann alle: Private Haushalte wie Unternehmen. Und die müssen diese Steuerung in die Preise ihrer Produkte einbauen.
Frage: Eine Frage, die sich beim Thema harter Bodenkontakt geradezu aufdrängt. Die FDP liegt in Umfragen bundesweit nur noch bei vier Prozent. Was muss besser werden nach der Sommerpause?
BARTH: Ein wesentlicher Punkt wird sein, die Versprechen der Wahl von 2009 im Bund endlich umzusetzen. Während meiner Unternehmensbesuche im Land werde ich immer wieder darauf hingewiesen, das die FDP mehr Netto vom Brutto versprochen hatte. Das müssen wir nun auch umsetzen. Ich stehe ganz deutlich zu Steuersenkungen im Bereich der mittleren und kleineren Einkommen. Nicht für die Reichen. Die wurden von Rot-Grün seinerzeit genug entlasten. Rot-Grün hat den Spitzensteuersatz immerhin um 11 Prozentpunkte von 53 auf hinterher 43 Prozent gesenkt.
Frage: Und Sie wollen stattdessen...?
BARTH: Ich hatte eben davon gesprochen, dass die Unternehmen guten Leuten mehr Geld zahlen müssen. Aber bislang ist es so, dass ein guter Teil der Lohnerhöhungen bei den Leuten nicht ankommt, weil die Steuerbelastung für kleinere und mittlere Einkommen viel zu schnell ansteigt. Das müssen wir ändern.