Auf deutsche Erfahrung zählen können Ägypten und Nordafrika nach Ansicht des FDP-Bundestagsabgeordneten Patrick Kurth. Zusammen mit einer Delegation von FDP-Außenpolitikern informierte sich Kurth jetzt während eines 48-stündigen Aufenthalts in Kairo über die politischen Veränderungen, Transformationsleistungen des politischen Systems und zukünftige Entwicklungen in der Region. Dazu führte die Delegation unter anderem Gespräche mit verschiedenen Vertretern neu gegründeter Parteien, als auch der Muslimbruderschaft, dem Stabschef der Arabischen Liga, dem koptischen Bischof Kairos sowie verschiedenen Aktivisten der Revolution. Auch ein Gespräch mit Journalisten stand auf der Tagesordnung.
Anknüpfungspunkte sieht der Thüringer Bundestagsabgeordnete vor allem in den Bereichen politischer Transformationsleistung und der Unrechtsaufarbeitung, für die Kurth in der FDP-Bundestagsfraktion zuständig ist. Auch wenn es zahlreiche Gemeinsamkeiten gebe, warnt er jedoch davor, die Wende in Europa 1989/90 mit den Entwicklungen in der arabischen Welt direkt zu vergleichen. Gerade beim Aufbau von demokratischen Strukturen und der Unrechtsaufarbeitung müsse mit Umsicht vorgegangen werden, so Kurth. Das gelte insbesondere dann, wenn im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik finanzielle Leistungen für die gesellschaftliche Veränderung zur Verfügung gestellt würden. "Diese Aufarbeitung muss sachgerecht sein, die Mittel dürfen nicht in die falschen Kanäle gehen", mahnt Kurth. Es sei wichtig gleich zu Beginn dieser Entwicklung die Weichen richtig zu stellen. "Wenn sich ein Land von einem autoritären Staat in ein Freiheit und Demokratie respektierendes Land verändert, können - unabhängig von der richtigen Grundrichtung - viele nachhaltige Fehler im Detail entstehen. Auch das ist eine Erfahrung der Deutschen. Ich glaube aber, wir können unsere international anerkannten Erfolge bei der Unrechtsaufarbeitung anbieten."
In dem Zusammenhang macht der Bundestagsabgeordnete auf die Menschenrechtsverletzungen und Tätigkeiten der Geheimdienste aufmerksam. "Ein Grundsatz gilt in Nordafrika genauso wie überall in der Welt: Opfer haben ein Recht auf Aufklärung und Täter dürfen nicht ungebrochen weiter Macht über Menschen entfalten." Auch wenn er große Unterschiede zwischen der Stasi und den ägyptischen Geheimdiensten sehe, könne das deutsche System der Stasi-Aufarbeitung seiner Ansicht nach in einzelnen Punkten übernommen werden. Als Beispiel nannte Kurth die Bereiche der Unterlagensicherung und -aufarbeitung sowie für die dazugehörige Gesetzgebung. "Wir dürfen jedoch nicht übersehen, dass in Ägypten Polizei und Geheimdienst offen terroristisch agieren, während die Stasi mit System verdeckt in alle Lebensbereiche eingegriffen hat, mit Staatspartei und Gesellschaft verwoben war. Ein einfacher Vergleich ist daher nicht möglich", gibt Kurth zu bedenken. Letztlich will er für zielgenaue Unterstützung aber politische Zurückhaltung werben. Ägypten müsse seinen Weg gehen, könne dabei aber Erfahrungen des Westen nutzen.
Die zahlreichen Gesprächsergebnisse will Kurth für seine weitere Arbeit im Deutschen Bundestag nutzen. Dazu gehört nach der Sommerpause des Parlaments die Haushaltsplanung, aber auch die konkrete Organisation von Hilfe bei der Unrechtsaufarbeitung. "Wir müssen aber auf Sensibilität und Zielgenauigkeit achten." Der Weg den Nordafrika eingeschlagen habe müsse unterstützt werden. "Die Frage ist, welche Mittel die richtigen sind", so Kurth abschließend.