Erfurt. Der Landesvorsitzende der FDP Thüringen und Fraktionsvorsitzende der FDP im Thüringer Landtag, Uwe Barth, gab der Thüringischen Landeszeitung (heutige Ausgabe) folgendes Interview. Die Fragen stellte Hartmut Kaczmarek.
Frage: Macht es noch Spaß in der FDP zu sein?
BARTH: Ja. Die FDP hat schon einige schwierige Zeiten hinter sich. Und trotzdem ist es uns immer wieder gelungen, aus dem Tief herauszukommen.
Frage: Sie sprechen da auch von eigenen Erfahrungen.
BARTH: Als ich 2002 landesweite Verantwortung für die Partei übernommen habe, lag das letzte überregionale Wahlergebnis der FDP in Thüringen bei 1,1 Prozent. Wenn mich Schwierigkeiten umhauen würden, hätte ich das damals nicht machen dürfen.
Frage: Sie haben das Ergebnis von damals versiebenfacht. Wenn Herr Rösler die gegenwärtigen Umfrageergebnisse versiebenfachen würde...
BARTH:...dann müsste ihm die FDP ein Denkmal setzen. Aber mal realistisch gesehen: Wenn er es schafft, innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes eine Trendwende einzuleiten, dann erfüllt er unsere derzeitigen Erwartungen.
Frage: Übernimmt er nicht eine Art politisches Selbstmordkommando?
BARTH: Nein, aber er steht vor einer schwierigen Aufgabe. Wie gesagt, ich kann das aus meiner Thüringer Erfahrung gut nachvollziehen. Es zeigt sich hier ein großes Maß an Verantwortungsgefühl.
Frage: Wie schätzen Sie den designierten Parteichef Rösler ein?
BARTH: Er ist durchsetzungsfähig, er bricht aber Entscheidungen nicht übers Knie. Das hat er mit den Personalentscheidungen der vergangenen Tage bereits gezeigt. Er führt viele Einzelgespräche, bereitet die Dinge gründlich vor. Er weiß genau, wie lange diskutiert werden kann und wann entschieden werden muss.
Frage: Wird er unterschätzt?
BARTH: Von einigen ja. Das muss aber kein Nachteil sein.
Frage: Aber ist er nicht eingemauert von Leuten, die den Karren FDP mit in den Dreck gefahren haben?
BARTH: Niemand hat das mit Absicht gemacht. Ich glaube eher, es war ein Mangel an Durchsetzungsvermögen innerhalb der Koalition. Die FDP hat Dinge als Erfolg verkauft, von denen die Spitzen selbst nicht überzeugt waren. Natürlich muss man aufpassen, dass man nicht wieder in das selbe Fahrwasser gerät. Aber man kann aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.
Frage: Es gibt sicher kein Patentrezept für die FDP...
BARTH: Schade eigentlich...
Frage:... aber was sind denn die Bausteine, um aus dieser Krise wieder herauszukommen?
BARTH: Ich will noch mal an unsere Thüringer Erfahrungen anknüpfen. Wir haben die Personaldiskussionen eingestellt und haben angefangen Politik zu machen.
Frage: Gelingt das auch der Bundespartei?
BARTH: Es muss gelingen. Nach diesem Wochenende müssen wir uns auf einigen zentralen Politikfeldern klar profilieren.
Frage: Auf welchen?
BARTH: Finanzen und Steuern, Wirtschaftspolitik, Bildungspolitik und Bürgerrechte. Hier müssen wir inhaltlich erkennbar werden.
Frage: Muss die FDP in der Bundespolitik mehr Kante zeigen?
BARTH: Das ist die Hoffnung. Von den Dingen, die wir im Wahlkampf versprochen haben, muss mehr umgesetzt werden.
Frage: Haben Sie den Eindruck, dass die CDU die FDP mehr als 15 Prozent oder mehr als 4 Prozent-Partei behandelt?
BARTH: Die CDU möchte immer gerne schwache Partner haben.
Frage: Sie haben eben die Finanzpolitik genannt. Sind Sie eigentlich auch einer der Euro-Skeptiker?
BARTH: Unser Antrag, den wir auf dem Parteitag vorlegen, hat mit Euro-Skepsis nichts zu tun. Unsere Triebfeder ist der Erhalt eines starken Euro. Deshalb müssen wir uns die Frage stellen, ob der Weg in die europäische Transferunion wirklich so alternativlos ist, wie er uns derzeit dargestellt wird.
Frage: Klingt das nicht so, als ob die FDP verzweifelt nach einem populären Thema sucht?
BARTH: Finanzpolitische Fragen haben doch eher einen spröden Charme. Die Währungsstabilität ist aber eine zentrale Frage für den Wohlstand in unserem Land. Uns treibt nicht die Suche nach einem populären Thema, sondern es ist ein wichtiges und dringendes Thema.
Frage: Wo liegt das größte Konfliktpotenzial in der Koalition?
BARTH: Ich denke in dem eben skizzierten finanzpolitischen Bereich. Denn: Warum der Weg in diese Transferunion alternativlos sein soll, versucht niemand zu erklären. Und niemand versucht zu verhindern, dass der deutsche Steuerzahler dafür aufkommen muss. Jeder will sich an die Spitze der europäischen Bewegung setzen, allerdings ohne wichtige Fragen zu beantworten.
Frage: Konfliktpotenzial auch in der Energiepolitik?
BARTH: Es gibt noch viel zu wenig Klarheit, wie ein schnellerer Umstieg auf Erneuerbare Energien zu realisieren ist.
Frage: Braucht die FDP nicht ein neues Thema, mit dem man sich profilieren kann?
BARTH: Ein solches Thema wird es nicht geben. Das würde ja bedeuten, dass alle bisherigen Themen falsch waren. Wir müssen unser eigenes Programm einem Stresstest unterziehen und im Lichte der Dinge, die wir 2009 noch nicht wussten und abschätzen konnten, überprüfen.
Frage: Läuft Ihnen die Zeit nicht davon?
BARTH: Es ist nicht einmal Halbzeit in der Legislaturperiode in Berlin. Wir haben noch genügend Zeit. Aber wir müssen die Dinge jetzt anpacken.
Frage: Das größte Defizit bei den Wählern ist die Glaubwürdigkeit von FDP-Politik. Wie kann man die Glaubwürdigkeit zurückgewinnen?
BARTH: Man muss versuchen, nur die Dinge öffentlich zu propagieren, die man auch tatsächlich ernsthaft angeht oder umsetzen kann.
Frage: Müssen Politiker auch Fehler eingestehen können?
BARTH: Natürlich. Aber das ist, wenn sie sich die aktuelle Lage der Partei anschauen, derzeit nicht unser größtes Problem. Wir müssen den Wählern ehrlich sagen, welche Dinge in der Koalition durchsetzbar sind und welche nicht.
Frage: Hat die FDP ihren linksliberalen Flügel vernachlässigt?
BARTH: Nein, auch wenn ich selbst eher ein Anhänger der ordnungspolitischen Ausrichtung bin. Die Bürgerrechte sind ein Kernanliegen der FDP. Mit der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sind wir hier gut aufgestellt. Und: Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik sind kein Entweder-Oder. Menschen in Arbeit zu bringen, ist die beste Sozialpolitik.
Frage: Schauen Sie als Landespolitiker mit Sorge nach Berlin?
BARTH: Das Erscheinungsbild der Partei setzt sich aus Grundfitness und Tagesform zusammen. Für die Grundfitness sind wir in Thüringen verantwortlich, die Tagesform ist das, was in Berlin geschieht.
Frage: Wie lange Zeit braucht Herr Rösler, um die Partei aus dem Keller herauszuführen?
BARTH: Eine Trendwende in den Umfragen ist wichtig. Es muss bergauf gehen. Das sollte bis zum Jahresende erkennbar sein. Und dann mag jeder für sich entscheiden, bei welcher Prozentzahl man aus dem Keller wieder heraus ist.