TLZ-Interview
"Der Mittelstand braucht jetzt konkrete Hilfe"
Viele kleine Lösungsansätze nötig
Von Hartmut Kaczmarek
Erfurt. (tlz) Mehr konkrete Aussagen, wie Mittelständlern in der
gegenwärtigen Wirtschaftskrise konkret geholfen werden kann, wünscht sich
der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP, Thomas L. Kemmerich.
Thüringens SPD-Wirtschaftsminister Matthias Machnig glänzt mit vielen Ideen,
gründet neue Gremien. Kommt hier neuer Schwung rein oder ist das nur heiße
Luft?
Politik nur nach dem Motto "Sich regen bringt Segen" ist mir zu wenig. Mir
fehlen konkrete Aussagen, mit denen den Mittelständlern in Thüringen
wirklich geholfen werden kann. Herr Machnig erntet im Moment viel Lob für Ideen, die lange vor seiner Amtszeit initiiert wurden. Wirklich erreicht hat er noch nichts.
Aber es gibt doch jetzt die eine Anlaufstelle für Unternehmesgründer, die gemeinsam
mit den IHKs ins Leben gerufen wurde.
Die Idee gibt es schon sehr lange, sie ist nicht von Herrn Machnig! Aber auch wenn die IHK die Initiative ergreift, gibt es hier noch keine messbaren Erfolge.
Die Kreditmediatoren sind ja auch was Konkretes.
Ich glaube nicht, dass sich die Banken in ihr Kreditgeschäft wirklich
hineinreden lassen. Wichtiger ist es dafür zu sorgen, das bei der Aufbaubank (TAB) und der Bürgschaftsbank Anträge schneller und unkomplizierter bearbeitet werden können.
Die Kreditklemme ist doch ein echtes Problem.
Sicher. Entsprechenden Vorschriften, beispielsweise aus
Basel II oder dem Kreditwesengesetz, müssen verändert werden, sonst darf eine
Bank gar nicht anders handeln. Die momentanen Instrumentarien sind an die jetzigen Erfordernisse nie angepasst worden. Dadurch entstehen Probleme wie die Kreditklemme.
Was kann das Land noch tun?
Das Land kann durch eigene Förderprogramme über Aufbau- oder Bürgschaftsbank
Erleichterungen schaffen und selbst immer wieder notwendige Prozesse anmahnen, zum Beispiel durch eine Bundesratsinitiative. Eine Straffung der Bürokratie und die Umsetzung günstiger Rahmenbedingungen für Unternehmen kann ebenso direkt angegangen werden.
Kreditmediatoren bringen also nicht viel, weil...
... weil Mediatoren zwar dafür sorgen können, dass ein Gespräch zwischen
beiden Partnern schneller und sachlicher verläuft. Aber sie können aus einer
schlechten keine gute Bilanz machen und auch die Vorschriften für
die Banken nicht ändern. Mediatoren lösen das Grundproblem nicht.
Die Weichen sollten 2010 in welche Richtung gestellt werden?
Die Bürokratie für Unternehmen muss abgebaut werden. Zudem sind Investitionserleichterungen noch nicht ausreichend in Kraft gesetzt. Außerdem müssen wir aktiv den Fachkräftemangel in Thüringen angehen.
Der Ansatz, einen Wirtschafts- und Innovationsrat zu bilden, bei dem man
über Perspektiven für Thüringen berät, ist doch nicht so verkehrt.
Wir brauchen nicht noch einen erlauchten Rat um zu sehen, was in unserem Land verbessert werden kann bzw. in welche Richtung man sich positionieren muss um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Herr Machnig sollte mehr den Unternehmern, den Mittelständlern, zu hören und deren Impulse aufgreifen und umsetzen.
Wenn wir kein neues Gremium brauchen, was brauchen wir dann?
Wir brauchen viele Lösungsansätze, die sehr kleinteilig sind. Ich nenne nur ein Beispiel: Wir müssen die Vernetzung zwischen den Schul- und Fachhochschulabsolventen sowie der Wirtschaft konkret verzahnen und immer wieder anpassen. Bildung und flexible Arbeitsmodelle sind die Schlagworte, die man immer im Kopf behalten sollte.
Linkspartei, DGB und SPD drängen auf die Einführung von Mindestlöhnen.
Löhne sind Entgelt für geleistete Arbeit. Und die muss ihren Preis am Markt
erzielen. Es gibt Teilbereiche in unserer Wirtschaft, die sich schwertun,
7,50 Euro am freien Markt zu erzielen. Am Ende muss der Konsument den Preis
dafür entrichten.
Das gilt für Ihre Branche, das Friseurhandwerk, auch?
Wir haben das untersuchen lassen. Wir haben in Thüringen einen
Durchschnittslohn von 6 Euro. Wenn wir den Durchschnittslohn auf 7,50 Euro
anheben würden oder müssten, dann müssten die Preise um 38,3 Prozent
steigen. Wie viele Kunden würden das mitmachen? Alternativ müsste man die
Personalstruktur um 20 bis 25 Prozent reduzieren. Und: Der
Schwarzmarktanteil in unserer Branche liegt heute schon bei etwa 40 Prozent.
Aber ist es nicht richtig, dass man von seiner Arbeit auch ohne staatliche
Aufstockung leben können sollte?
Das ist ein Totschlagargument. Das Einkommen ist nur ein Faktor, um die
Lebenssituation zu bewältigen. Mir gefällt auch nicht, dass die Betroffenen
dann vom Staat aufstocken lassen müssen. Deshalb plädiere ich ja für das
Bürgergeld. Dann hätte jede Familie ihren garantierten Lebensstandard.
Alle warten auf das GM-Konzept von Opel. Führt GM die Politik an der Nase
herum?
Das hat GM jedenfalls 2009 das ganze Jahr getan. Wir müssen jetzt die
Rahmenbedingungen schaffen für das Ergebnis der Konsolidierung in der Automobilbranche.
Was geschieht mit Opel?
Ich teile die Position von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Über
die existierenden Programme hinaus sollte es kein zusätzliches Geld geben.
Jeden Cent, den wir bei Opel investieren, sollten wir in zukunftsträchtige
Mobilität investieren, aber nicht in Subventionen für den amerikanischen
Staatsmoloch GM.
Wie vereinbaren Sie im Augenblick Parlamentsabgeordneter und Unternehmer?
Ich habe ein tolles Team in der Firma, das mich unterstützt. Ich würde meine
unternehmerische Rolle als die eines sehr aktiven Aufsichtsrates definieren.
Brauchen wir mehr Leute, die Politiker sind und trotzdem ihren Beruf
ausüben?
Auf jeden Fall. Ich kann meine politischen Ämter jeden Tag zur Verfügung stellen. Das macht mich unabhängig. Auch in meinen Entscheidungen.