Gestern veranstaltete der Thüringer Handwerkstag zum ersten Mal sein "Wahlforum", bei dem Politiker der großen Parteien diskutierten
Von Alexander BAUER
ERFURT. Etwa 40 Mitglieder des Thüringer Handwerkstages konnten sich gestern Abend ein Bild vom Wahlprogramm der fünf großen Parteien machen. Die Resonanz auf die Veranstaltung im Berufsbildungszentrum der Kammer in Bindersleben war recht gering. viele Stühle blieben unbesetzt, wofür Rolf Ostermann, Präsident des Thüringer Handwerkstages (THT), den ungünstigen Termin um 17 Uhr an einem Werktag verantwortlich machte.
Vor der überschaubaren Anzahl von Teilnehmern sprachen Michael Heym (CDU), Hartmut Schubert (SPD), Michael Gerstenberger (Die Linke, Thomas L. Kememrich (FDP) und Dirk Adams von Bündnis 90/Die Grünen. Die Parteivertreter debattierten in einer munteren Diskussion unter anderem über den gesetzlichen Mindestlohn, Steuern und Bildung. In seinen Eingangsworten schilderte THT-Präsident Ostermann die Situation des Handwerks in Zeiten der Wirtschaftskrise. Vor allem der Zugang zu Krediten sei seit einigen Monaten schwieriger geworden. Außerdem beklagte er zu hohe Steuern und beschloss sich mit der Forderung "Mehr Netto vom Brutto" inhaltlich FDP-Mann Thomas L. Kemmerich an. Weiter forderte der THT-Präsident mehr Unterstützung seitens der Politik, etwa bei der Kreditvergabe. Ostermann: "Zu Opel nach Eisenach kommt sogar die Kanzlerin im Laufschritt. Das Handwerk als wichtige Säule der Wirtschaft wird hingegen beinahe völlig allein gelassen", sagte er.
Gleichzeitig unterstrich Ostermann die Bedeutung des Handwerks für den Freistaat. Demzufolge gibt es in Thüringen 31 500 Handwerksbetriebe, die im Schnitt 4,7 Mitarbeiter beschäftigen. Mit 137 Betrieben auf 10 000 Bewohner hat Thüringen damit die vierthöchste Handwerkerdichte Deutschlands. Mit 31 Prozent aller Firmen ist nahezu jedes dritte Unternehmen in Thüringen ein Handwerksbetrieb. Rund 141 000 Thüringer arbeiten im Handwerk. Dazu kommen noch
12 500 Auszubildende.
Wie schwierig die Situation auf dem Ausbildungsmarkt für die Firmen ist, verdeutlichten zahlreiche Anekdoten der Teilnehmer, die von Unfähigkeit, Bildungslücken und fehlender Motivation der Lehrlinge handelten.
Während CDU-Vertreter Michael Heym vor allem die Familien in der Pflicht sah, forderten Vertreter von SPD und Linken eine stärkeres Engagement des Staates im Bildungssystem.
Flankiert wurde das zum ersten Mal veranstaltete Wahlforum von Zahlen, die das Thüringer Landesamt für Statistik gestern bekannt gab. Demzufolge stiegen im Jahr 2008 die Umsätze des Handwerks um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Den bei weitem stärksten Zuwachs erzielten die Handwerke für den gewerblichen Bedarf mit einem Plus von 7,3 Prozent. Die Anzahl der Beschäftigten sank hingegen um 1,9 Prozent. Die meisten Stellen verloren mit 5,8 Prozent die Handwerke für den privaten Bedarf