Oberstes Gericht erklärt Gesetz für nichtig / Thüringer FDP fordert Kammer-Reformen
Knapp 90 Millionen hatten rund 380 000 deutsche Agrarbetriebe per Gesetz jährlich über einen Fonds vor allem an den Marketing-Verbund CMA zu zahlen - für Standortwerbung. Gestern erklärten die Karlsruher Richter dies für nichtig.
ERFURT/ KARLSRUHE.
Zwei flotte Sprüche der CMA-Agrarwerbung: "Die Milch machts" und "Aus deutschen Landen frisch auf den Tisch".
Vor allem letzterer führte dazu, dass der Agrar-Lobby-Verband schon einmal Ärger bekam. 2002 erklärte Brüssel den Slogan für "europarechtswidrig", weil damit der freie Handel behindert werde. Auch in Deutschland gab es diverse Anläufe, die Zwangsabgabe zu Fall zu bringen. Somit ist das gestrige Urteil das Ende eines langen Rechtsstreites, in dem es um drei Fragen ging: "Brauchen wir den CMA?"; "Läuft die Werbung professionell?" und - "Ist es mit der Zwangsabgabe rechtens?" Auch ja, eine vierte fehlt noch: "Nutzen all diese Aktionen eigentlich nicht nur einseitig den Großbetrieben?" Das monierten gern die Öko-Bauern.
Aktuell geklagt hatten ein Mühlenunternehmen, eine Geflügelschlachterei sowie ein Hühnerhalter. In letzter Instanz entschieden die Richter, dass diese Zwangsabgabe für den Fonds zur Absatzförderung verfassungswidrig ist. Durch die Abgabenpflicht werde unzulässig in die unternehmerische Freiheit eingegriffen, das Geld für die eigene Werbung statt für die staatliche Absatzförderung einzusetzen, heißt es in dem Urteil (Az.: 2 BvL 54/06). Die Gelder in Höhe von 0,4 Prozent des Warenwertes, die Schlüsselbetriebe wie Schlachthöfe, Molkereien oder Eierpackstellen abführen müssen, könnten als "Schmälerung des eigenen unternehmerischen Werbeetats" angesehen werden. Noch eines: Der Fonds muss den Klägern und allen anderen, die Widerspruch gegen die Abgabe eingelegt haben, ihr seit 2002 gezahltes Geld zurückzahlen.
Für den Thüringer Bauernverband kommt das Urteil "völlig überraschend". "Wir bedauern diese Entscheidung und fordern Politik und Wirtschaft nun zum Handeln auf", sagte Präsident Klaus Kliem. Er lobte die "Instrumente des Absatzfonds", die erheblich zur positiven Entwicklung der Agrarbranche beigetragen hätten. "Die Bauern fühlen sich in der CMA zu wenig vertreten, es gibt kein Mitspracherecht und die Werbung ist zu unspezifisch", sagte dagegen Johanna Schering-Wright als agrarpolitische Sprecherin der Linken im Landtag. Die FDP nahm das Urteil zum Anlass, auch Kammer-Reformen einzufordern. "Wir sehen diese Entscheidung als richtungweisend im Kampf gegen Zwangsmitgliedschaften an", sagte Thomas Kemmerich, Vorsitzender der Erfurter FDP.
Erfurts IHK-Präsident Niels Lund Chrestensen dagegen sieht in den Kammern "ein gutes Stück Selbstverwaltung der Wirtschaft". Für ihn heißt "IHK weniger Staat, weniger Bürokratie sowie schlanke und effiziente Strukturen.