Kultusminister freut sich - Die Opposition warnt
Von Hartmut Kaczmarek und Elmar Otto
Erfurt. (tlz) Bernward Müller, Thüringens Kultusminister, strahlt. An seiner Seite Regierungschef Dieter Althaus. Wieder einmal können sie Erfreuliches über das Thüringer Bildungssystem verkünden. Und das zeigt: Thüringen kann sich sehen lassen. Schul- und Bildungspolitik ist im Freistaat nicht immer so angenehm wie an diesem Tag, wo die Kritik an den fehlenden Möglichkeiten zur Umsetzung des Thüringer Bildungsplanes ebenso außen vor blieben wie der wachsende Stress in den Lehrerzimmern oder die schlechte Personalausstattung von Kitas und Horten. "Das ist ein Grund zur Freude. Der im Freistaat eingeschlagene Weg ist richtig", erklärte Müller zu den für Thüringen erfreulichen Aspekten der Studie.
Thüringen hat es der aktuellen Pisa-Studie zufolge in die Spitzengruppe der Bundesländer geschafft. Demnach liegen die Schüler im Freistaat im Vergleich der naturwissenschaftlichen Kompetenz und der Lesekompetenz hinter Sachsen und Bayern jeweils auf dem dritten Platz. In der mathematischen Kompetenz reichte es im nationalen Vergleich hinter Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg für Rang vier. Schlusslicht in Deutschland in allen drei Bereichen ist Bremen.
"Kontinuität im Bildungswesen, gute äußere Rahmenbedingungen und die engagierte Arbeit der Pädagogen sind der Schlüssel zum Erfolg", sagte Müller. Nachgebessert werden müsse aber bei der Lesekompetenz. Die Entwicklung von Lesekompetenz müsse wieder als fächerübergreifende Aufgabe gesehen werden. Darüberhinaus müssten zum Beispiel über Wettbewerbe Leseanreize geschaffen werden.
Minister Dieter Althaus (CDU) wies darauf hin, dass es in Thüringen der Studie zufolge eine weitgehende Entkopplung von sozialer Herkunft und dem Bildungserfolg gebe. Er führte dies auf die differenzierten Bildungsmodelle zurück.
"Förderschüler werden nicht berücksichtigt"
Für SPD-Landes- und Fraktionschef Christoph Matschie ist die Interpretation einer Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg dagegen völlig unverständlich. "Das geben die Pisa-Daten nicht her", zeigte er sich überzeugt. Lediglich die Kopplung von sozialer Herkunft und naturwissenschaftlicher beziehungsweise Lesekompetenz sei untersucht worden. "In diesen Bereichen schneidet Thüringen im Bundesvergleich durchschnittlich beziehungsweise leicht unterdurchschnittlich ab." Aus Matschie Sicht ist das kein Beweis für Bildungsgerechtigkeit im Freistaat.
Auch die gute Platzierung hält der SPD-Parlamentarier nicht für überzeugend. Selbst wenn Thüringen im bundesweiten Vergleich einen der vorderen Plätze einnehme: "Nach wie vor liegen die Pisa-Spitzenstaaten in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften 30 Punkte vor Thüringen", gibt er zu bedenken. Dies entspreche einem Schuljahr. In der Kategorie Lesen-und-Verstehen betrage der Vorsprung sogar 50 Punkte.
Linke-Fraktionschef Dieter Hausold sagte, die Studie berechtige nicht zum Jubel. Er fordert einen kritischen Blick auf die Ergebnisse. Angesichts der bundesweit höchsten Förderschülerquote in Thüringen sei es bezeichnend, wenn gerade diese Schüler bei Pisa nicht berücksichtigt und dafür Schüler aus Spezialgymnasien herangezogen würden. "In Thüringen ist das Aussondern und Aussortieren von Schülern leider das Hauptmerkmal des Schulsystems", sagte Hausold.
Auch der Thüringer FDP-Chef Uwe Barth warnte die Parteien, in "Jubelstimmung" zu verfallen. Nach wie vor bestünde eine große Abhängigkeit von Bildung und Herkunft der Schüler. Auch der soziale Hintergrund der Eltern spiele immer noch eine zu große Rolle. Ebenso sei es um die frühkindliche Bildung bestellt. Als ein "Signal" bezeichnete der FDP-Vorsitzende das "Vordrängen" der neuen Länder." Das könne als Beweis für die Leistungsfähigkeit Mitteldeutschlands gewertet werden.
Der Chef des Liberalen Mittelstands in Thüringen, Thomas L. Kemmerich, sagte: "Die Papierform scheint zu zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind." Er könne allerdings nicht erkennen, dass sich etwas an den Lerninhalten verändert habe. Die Inhalte müssen seiner Einschätzungen nach allgemeinbildender sein. "Zu frühe Spezialisierung nützt niemandem etwas", so Kemmerich.