Ungereimtheiten bei Gesundheitsfonds
Erfurt. (tlz/mar) Das Ziel von Krankenkassen müsste es eigentlich sein, dass ihre Versicherten möglichst schnell wieder gesund werden. Das kostet dann weniger Geld. So jedenfalls war es bisher. Ab 1. Januar sieht das ganz anders aus. Dann kommt der Gesundheitsfonds - und mit ihm wird die gesamte Finanzierung der Krankenkassen auf den Kopf gestellt. Die Versicherten zahlen einen Einheitsbeitrag von 15,5 Prozent - egal, bei welcher Krankenkasse sie versicherte sind. Dieses Geld fließt in den Fonds - und der zahlt es nach Kriterien an die Krankenkassen zurück, die jetzt noch nicht einmal feststehen. Nur so viel ist sicher: Der Morbiditäts-Risikostrukturausgleich wird dabei eine wesentliche Rolle spielen. Das heißt, die Versicherungen, die mehr Kranke in ihren Reihen haben, bekommen auch mehr Geld. Dieser Ansatz löst bei Thomas Kemmerich, dem Vorsitzenden des Liberalen Mittelstandes in Thüringen, nur Kopfschütteln aus. "Eigentlich sollte man doch für Gesundheit sorgen, jetzt durchforstet man die Versichertenlisten nach Krankheitsfällen."
Kemmerich, selbst Unternehmer, versteht in Sachen Gesundheitspolitik die Welt nicht mehr. Den Gesundheitsfonds will keiner so richtig - vielleicht außer Ulla Schmidt, der Gesundheitsministerin - aber er ist jetzt beschlossene Sache. Für die Versicherten, aber auch für die Arbeitnehmer heißt das in der Regel höhere Beiträge. Genug Stoff also für eine Diskussion, die heute beim 4. Deutschen Mittelstandstag in Erfurt über die Bühne geht. Moderiert wird das Gespräch zwischen Politiker, Unternehmern und Krankenkassen vom stellvertretenden TLZ-Chefredakteur Hartmut Kaczmarek.
162 Millionen Euro - so hat es kürzlich die Techniker-Krankenkasse berechnet - kommen an Mehrbelastungen jeweils auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber allein in Thüringen zu. "Das ist ein gewaltiger Schlag ins Kontor", so Kemmerich. Und richtig "abenteuerlich" wird es, wenn die Kassen gezwungen sind. Zusatzbeiträge zu erheben, weil sie mit den ihnen vom Gesundheitsfonds zugewiesenen Mitteln nicht auskommen. Dass das so kommen wird, ist für alle Experten so gut wie sicher. Denn nicht einmal die Preissteigerungen auf dem Medizinsektor im nächsten Jahr sind bei den Beitragszahlungen mitkalkuliert worden. Bei einem Zusatzbeitrag bis zu acht Euro, den die Kassen ohne Gehaltsprüfung erheben dürfen, kommen Verwaltungskosten von zwei Euro hinzu, mit Gehaltsprüfung liegen die Kalkulationen der Kassen derzeit bei 3,70 Euro. Um als 12 Euro Mehrkosten reinzuholen müsste man einen Zusatzbeitrag von 15,70 Euro erheben.
Die Steuern müssen runter
Das beste Mittel gegen die heraufziehende Rezession in Deutschland ist nach Einschätzung von Kemmerich einen möglichst tiefgreifende Steuersenkung. "Millionen brauchen jetzt ein Signal: Wir haben mehr übrig". Befürchtungen, das zusätzliche Geld würde wegen der unsicheren Zeiten auf die hohe Kante gelegt statt ausgegeben, teilt Kemmerich nicht. Im Gegenteil: "Wenn die Leute wissen, ich habe morgen mehr, dann wird das Ausgabeverhalten entspannter." Über Bankenkrise und Konjunktur spricht am zweiten Tag des Mittelstandstages die stellvertretende TLZ-Chefredakteurin Gerlinde Sommer mit Bankern und Unternehmern.