PRESSE AKTUELL - TLZ 08.11.08

Mittelständler machen sich Sorgen - Viel Kritik an umfangreicher Bürokratie

Erfurt. (tlz) Franz Georg Stall ist um seinen Job derzeit nicht zu beneiden. Er ist der Leiter des Unternehmensbereichs Gesundheitsmanagement bei der IKK Thüringen. Und er ist derzeit damit beschäftigt, den Haushalt für das nächste Jahr aufzustellen. Die Ausgabenseite hat er jetzt berechnet - und musste dabei erkleckliche Steigerungsraten bei Arzneimittelkosten, Ärtzehonoraren und Krankenhausausgaben einkalkulieren. Allein: Was auf der Einnahmenseite zu verbuchen sein wird, weiß Stall nicht. Denn vom 1. Januar 2009 gibt es den neuen Gesundheitsfonds. Und die IKK bekommt wie alle Krankenkassen nach einem komplizierten Schlüssel dann ihr Geld zugeteilt. Dabei wird auch berücksichtigt, wie viel chronisch Kranke beispielsweise bei einer Kasse versichert sind. Haben die Versicherten ein höheres Krankheitsrisiko, erhalten die Kassen mehr Geld. Es gibt aber noch keine Hinweise darauf, wie die Einnahmen des Gesundheitsfonds konkret verteilt werden. Die Einnahmenplanung für das kommende Jahr gleicht also einer Art Blindflug.

Der Gesundheitsfonds hat viele Nachteile. Er wird für Arbeitgeber und Arbeitnehmer teurer, die Kassen rechnen mit einem gewaltigen bürokratischen Aufwand und die Ärzte und Apotheker befürchten Leistungseinschränkungen, weil der Fonds chronisch unterfinanziert ist. Vorteile vermochte bei einer Diskussionsrunde im Rahmen des Deutschen Mittelstandstages in Erfurt - geleitet vom stellvertretenden TLZ-Chefredakteur Hartmut Kaczmarek - niemand auszumachen.

Im Gegenteil: Es gibt gewaltige Risiken. Der Fonds ist von Anfang an unterfinanziert, warnten die beiden Bundestagsabgeordneten Heinrich Kolb (FDP) und Frank Spieth (Linkspartei). Allein: die rot-gelbe Koalition konnte sich mit ihren Bedenken, die von fast allen Experten geteilt werden, in den Beratungen des Bundestages nicht durchsetzen. Drei Milliarden Euro fehlen von Anfang an, so Kolb und Spieth. Außerdem sind Preissteigerungen 2009 und 2010 überhaupt nicht eingeplant. Immerhin: Im kommenden Jahr wird eine mögliche Unterfinanzierung aus Bundesmitteln abgedeckt. "Allein, dafür gibt es überhaupt keinen Haushaltstitel", so Spieth.

Wegen der Unterfinanzierung fürchten Apotheker und Ärzte Leistungseinschränkungen in erheblichem Umfang. Das sagten Sven Auerswald, der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung und Stefan Fink, der Vorsitzende des Thüringer Apothekerverbandes. Allein dem Umstand, dass künftig die Finanzierung sich auch an den Krankheitsrisiken der Versicherten orientiere, vermochten sie einen teilweise positiven Aspekt abzugewinnen.

Sicher ist aber schon heute: Die Kassen werden kaum umhinkommen, in absehbarer Zeit Zusatzbeiträge von den Versicherten zu erheben. Entweder acht Euro pauschal ohne Einkommensprüfung oder aber bis zu einem Prozent des Einkommens. Umfangreiche Bürokratie kommt da auf die Kassen zu, für jeden Versicherten muss ein eigenes Versichertenkonto geführt werden, Experten gehen von Beträgen zwischen zwei und vier Euro aus, die nur an Verwaltungskosten anfallen.

Das Gesundheitswesen gleicht auch künftig einem Dschungel. Allein Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) scheint noch davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Für Heinrich Kolb gleicht sie der Schlange Ka aus dem Dschungelbuch, die es schafft, ihre Gegner zu hypnotisieren. Immerhin ist sie dabei aber nicht ganz erfolgreich - Dschungelbuchheld Mogli kann ihr widerstehen. Und das gibt Kolb immerhin Hoffnung.

Am heutigen Samstag diskutiert beim Mittelstandstag die stellvertretende TLZ-Chefredakteurin Gerlinde Sommer mit Bankern über die Folgen der Finanzkrise.


08.11.2008 Thüringische Landeszeitung