PRESSE AKTUELL - TLZ, 31.07.08

ERFURT. (tlz) Gerade hat Falk Oesterheld die Ernennungsurkunde zum Staatssekretär im Sozialministerium erhalten, da stehen die Telefone in seinem Vorzimmer nicht mehr still. Es sind weniger Gratulanten zu der Beförderung, die den frischgebackenen Staatssekretär erreichen, sondern Nachfragen zum Thema: Wie hält Thüringen es denn nach dem Karlsruher Urteil mit dem Nichtraucherschutz. Oesterheld, selbst Nichtraucher von Kindesbeinen an, will im Konsens mit seiner Ministerin Christine Lieberknecht auch hier die Vernunft walten lassen. Wenn er als Gesundheitspolitiker natürlich das Karlsruher Urteil auch mit einem weinenden Auge sieht, da der soeben festgezurrte Nichtraucherschutz schon wieder gelockert wurde. Aber für die Thüringer Landesregierung gibt es kein Zögern: die Vorgaben der Karlsruher Richter werden umgehend umgesetzt. Das heißt konkret: In kleinen Kneipen und Gaststätten kann in Thüringen wieder geraucht werden. Thüringen werde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis zum Ergebnis der Überprüfung und einer möglichen Neuregelung sofort anwenden, erklärte Oesterheld. Das heißt, in Gaststätten mit weniger als 75 Quadratmetern, ohne abgetrennten Nebenraum und lediglich einer Schankerlaubnis darf wieder geraucht werden. Voraussetzung sei jedoch, dass Jugendliche unter 18 Jahren keinen Zutritt haben und der Raum als Rauchergaststätte gekennzeichnet ist. Thüringen hatte erst Anfang Juli als eines der letzten Bundesländer neue Regelungen zum Nichtraucherschutz umgesetzt, die nun teilweise korrigiert werden.

Für Oesterheld hat das Karlsruher Urteil den großen Vorteil, dass er klare und nachvollziehbare Kriterien vorgibt, nach denen die Raucher wieder zur Zigarette greifen dürfen. "Es ist der durchaus taugliche Versuch, einen Interessenausgleich herzustellen", so der Staatssekretär.

Regierungschef Dieter Althaus (CDU) vereinbart in einem Telefongespräch mit seiner Gesundheitsministerin Christine Lieberknecht, dass Thüringen sich jetzt um eine bundesweit einheitliche Lösung bemühen werde, um den Flickenteppich der unterschiedlichen Länderregelungen zu beseitigen.

Die Spitze des Thüringer Hotel- und Gaststättenverbandes bewertete die Entscheidung der Verfassungsrichter unterschiedlich. Geschäftsführer Dirk Ellinger begrüßte, dass in Eckkneipen wieder geraucht werden darf. Er plädiert für einen "Nichtraucherschutz mit Augenmaß", der den unterschiedlichen Interessen aller Rechnung trägt. Verbandspräsidentin Gudrun Münnich zeigte sich vom Urteil enttäuscht. "Ich hatte wirklich mehr erwartet. Die Entscheidung ist weder Fisch noch Fleisch." Das Grundrecht auf freie Berufsausübung ist ihrer Meinung nach verletzt. Der vom Gericht vorgegeben Zeitraum für Korrekturen bis Ende 2009 sei viel zu lang gefasst.

Grüne: Eine herbe Niederlage

Die Grünen sehen in der Entscheidung eine "herbe Niederlage für den Nichtraucherschutz in Deutschland." Sie sei jedoch auch ein Signal, endlich mit den halbherzigen Rauchverboten, wie sie auch in Thüringen bestünden, aufzuhören, sagte Landessprecherin Astrid Rothe-Beinlich. FDP-Generalsekretär Patrick Kurth kritisierte, dass in Thüringen die Verbote erst kurz vor dem Urteil in Karlsruhe in Kraft traten.

"Ein guter Tag für die Rechtsstaatlichkeit und ein guter Tag für die Freiheit der Bürger." So sieht Thomas Kemmerich, Landeschef des Liberalen Mittelstandes, den Spruch aus Karlsruhe. Die Richter hätten sich für weniger staatliche Gängelung stark gemacht, sagt er. Er bedauert, dass sich erst wieder "durch die Justiz auf die Finger klopfen lassen musste" statt sofort und unmittelbar auf die Bedenken gegen die neuen Gesetze zu reagieren.


31.07.2008 Thüringische Landeszeitung - Hartmut Kaczmarek