Freies Wort: 11.10.2007
Heftige Kritik an Plänen für Wahlreform
Landtag - Opposition wirft der CDU einen Trick vor, um Macht zu sichern
Erfurt - Mit heftiger Kritik haben die Thüringer Oppositionsparteien auf den Vorstoß der regierenden CDU im Freistaat reagiert, den Landtag zu verkleinern, dabei aber die Zahl der Wahlkreise bei 44 zu belassen. Diese geplante Wahlrechtsreform der CDU sei ein "sehr raffiniertes Instrument zum Machterhalt", sagte FDP-Generalsekretär Patrick Kurth. Die Linkspartei warnte, die Pläne könnten einen Verfassungsbruch darstellen.
Nach Berechnungen der FDP würde der CDU ein Anteil von 36 Prozent der Wählerstimmen reichen, um weiterhin in Thüringen allein regieren zu können. Hintergrund ist, dass die CDU bei der Wahl 2004 mit 39 Direktmandaten die Mehrheit der 44 Wahlkreise gewonnen hatte. Dafür reicht es, bei den Wahlkreiskandidaten ("Erststimme") jeweils stärkste Partei zu sein. Würde der Landtag wie von den Christdemokraten vorgeschlagen auf 66 bis 77 Abgeordnete verkleinert, reichten allein schon diese Stimmen für den Machterhalt aus. Bislang entscheiden die Zweitstimmen über die endgültige Zusammensetzung des Landtages. Dieses demokratische Grundprinzip würde ausgehebelt, erlangten die CDU-Pläne Geltung, kritisierte Kurth.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Links-Fraktion im Landtag, André Blechschmidt sagte, er habe den Eindruck, dass die Union "ein bisschen über die kalte Küche ihre Machtansprüche sichern" wolle. Notfalls würde die Linke gegen die Pläne vor das Landesverfassungsgericht ziehen. CDU-Generalsekretär Mike Mohring wies den Vorwurf der Manipulation gestern zurück. Die Neuregelung könnte den Plänen zufolge ab 2014 gelten.
Auch Linkspartei und SPD in Thüringen haben sich für eine Verkleinerung des Landtags ausgesprochen. Allerdings wollen sie auch die Zahl der Wahlkreise verringern, um so das Verhältnis von Direkt- und Listen-Mandaten aufrecht zu erhalten.
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Thüringer Allgemeine: 11.10.2007
Die Ein-Drittel-Mehrheit
Viel Aufregung und der obligatorische DDR Vergleich: Die Landespolitik streitet über das Wahlrecht
Die FDP schäumt, und die SPD nutzt die DDR als Vergleich: Die von der CDU ersonnene Wahlreform bringt etwas Streit in den verschlafenen Politik-Herbst.
ERFURT. Vielleicht liegt es daran, dass Jochen Staschewski im Mai 1989 jenseits der DDR-Grenzen lebte und so manches nicht kennt. Vielleicht aber, und das ist wohl wahrscheinlicher, weiß der neue Geschäftsführer der Thüringer SPD ganz genau, was er tut. "Weder Wahlreformen aus Machterhalt noch Wahlmanipulationen konnten und können den Wählerwillen aufhalten", sagte Staschewski gestern. Das habe die jüngere deutsche Geschichte gezeigt.
Man muss nicht lange heruminterpretieren, um zu verstehen, dass der Sozialdemokrat damit Dieter Althaus und einen gewissen Erich Honecker in einen gewissen Zusammenhang rückt. Denn, was der Ministerpräsident als CDU-Vorsitzender vor einigen Tagen vorstellte, ist für die SPD nichts anderes als "Manipulation". Der Plan, das Parlament zu verkleinern, ohne aber die Zahl der Direktmandate zu reduzieren, begünstige die Union ebenso wie das Vorhaben, bei kommunalen Abstimmungen auf die Stichwahl zu verzichten.
Zumindestens mathematisch spricht einiges für die Opposition. Hätten die geplanten Regelungen bereits bei der letzten Landtagswahl gegolten, verfügte die CDU jetzt über sieben statt über zwei Mandate Vorsprung (TA berichtete.) Der FDP-Generalsekretär schickte gestern noch eine eigene Rechnung hinterher: Im für die Union günstigsten Fall reichen gemäß Patrick Kurth 36 Prozent der Wählerstimmen, um absolut regieren zu können. Als Ergebnis stände somit beinahe das Paradoxon einer Ein-Drittel-Mehrheit.
Auch in den Kommunen wäre die CDU ohne Stichwahlen erfolgreicher gewesen. Sieben zusätzliche Städte hätte sie erobert, nämlich neben Erfurt, Jena und Eisenach auch Bad Frankenhausen, Schmalkalden, Lauscha und Bad Blankenburg. Die SPD verfügte dagegen jetzt über sechs Bürgermeister weniger; der Linken fehlten zwei, darunter in Eisfeld, wo ein Unabhängiger gewonnen hätte. Ein "Armutszeugnis" der Union sei das, dekretierten dazu die Grünen.
CDU-Generalsekretär Mike Mohring gab sich gestern ob der Kritik "amüsiert" und riet zu "Gelassenheit". Wo sei denn das Ziel der SPD verblieben, alle Abstimmungen zu gewinnen? Dann, sagt er, profitierten sie doch von der Reform, die im Übrigen erst bei den übernächsten Landtagswahlen 2014 gelten solle. Er nehme aber gerne "zur Kenntnis, dass die SPD mit unserem Erfolg rechnet".
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TLZ: 11.10.2007
Wahlreform ein Fall fürs Gericht
Opposition sieht Systemwandel und will notfalls klagen
Erfurt. (tlz) Falls die CDU ihre Wahlrechtsänderung auf Landesebene mit einfacher Mehrheit beschließen will, wird die Reform wohl ein Fall fürs Gericht: SPD-Chef Christoph Matschie erklärte, wenn die Union tatsächlich die Zahl der Wahlkreise beibehalten und die Ausgleichsmandate abschaffen wolle, "dann müssten wir vor das Verfassungsgericht gehen, weil das offensichtlich verfassungswidrig ist . Auch die Linken äußerten sich in dieser Weise. Die CDU plant, den Landtag auf 66 bis 77 Mandate zu verkleinern, die Zahl der Direktmandate allerdings beizubehalten. Die Reform soll von 2014 an gelten.
SPD-Landesgeschäftsführer Jochen Staschewski sieht als Grund für diesen Schritt, "die Angst der CDU vor den Wählern". Allen Umfragen zufolge sei klar, dass Dieter Althaus ein Ministerpräsident auf Abruf sei. Nun solle mit der Reform der Erfolg am Wähler vorbei organisiert werden.
FDP-Generalsekretär Patrick Kurth spricht von einem "raffinierten System zum Machterhalt" der CDU.
Die Linksfraktion sieht einen "Systemwandel innerhalb des Wahlrechts". Dies könne nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag beschlossen werden, so der Parlamentarische Geschäftsführer André Blechschmidt.
CDU-Fraktionschefin Christine Lieberknecht nannte die Oppositionsreaktion "übereilt . Die Verfassung biete in der Frage durchaus Spielräume.
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TLZ: 11.10.2007
"Raffiniertes Instrument zum Machterhalt"
FDP: Durch die Stärkung der Direktmandate wird das bestehende Wahlsystem ausgehebelt
Erfurt. (tlz) Thüringens FDP- Generalsekretär konnte der Versuchung nicht widerstehen. Deshalb griff Patrick Kurth zum Hörer und rief sein CDU-Pendant Mike Mohring an. Als dieser sich meldete, habe er ihm erst mal gratuliert, sagt Kurth - zu dessen "sehr raffinierten Instrument zum Machterhalt". Für den liberalen Parteimanager steht nämlich fest, dass die von der CDU ins Spiel gebrachte Wahlrechtsreform voranging dieses eine Ziel verfolgt.
Kurth hat ausgerechnet, dass die CDU im Extremfall bei einem 66-Mandate-Landtag mit nur 36% Prozent weiterregieren könnte, auch wenn alle anderen Parteien zusammen 50% Prozent Zustimmung erhielten.
Die CDU-Planungen, den Landtag auf 66 bis 77 Mandate zu verkleinern, die Zahl der Direktmandate jedoch beizubehalten, würde laut Kurth vor allem der Union Vorteile bringen.
"Erringt die CDU wie bereits 2004 erneut 39 Direktmandate, kann sie sich einen Einbruch bei den Zweitstimmen leisten. Die Zusammensetzung des Parlaments richtet sich eigentlich nach der Zweitstimme. Durch die Stärkung der Direktmandate wird dieses System ausgehebelt", sagt Kurth.
Um die Alleinherrschaft der CDU zu brechen, bedürfe es bei der derzeitigen Verteilung der Direktmandate folgender Bedingungen, hat Kurth ermittelt. Erstens: Die CDU stürzt auf 33 Prozent ab. Zweitens: Alle anderen Parteien erringen zusammen 50 Prozent der Zweitstimmen und müssten drittens miteinander koalieren. "Selbst unter diesen Umständen würde die Union nur mit einer Stimme in der Minderheit sein", kritisiert der FDP-General, der an sich nichts gegen eine Landtagsverkleinerung einzuwenden hat. Allerdings sollte es bei 66 Abgeordneten seiner Ansicht nach auch nur 33 Direktmandate geben.
Mohring kann die ganze Aufregung um den CDU-Vorstoß gar nicht verstehen. Obwohl er sich über die Reaktionen - auch Linke, SPD und Grüne - lehnen die Wahlrechtsreform nach jetziger Lesart ab - sogar freut. "Ich bin dankbar für die Prognosen der Opposition, dass wir offensichtlich die Wahlen gewinnen werden", schmunzelt er. "Und dass der Wahlsieger im Vorteil ist", schiebt er hinterher, "liegt in der Natur der Sache." Wenn die anderen Parteien bereits vor dem Urnengang aufgeben würden: "Besser kann ich meine Leute gar nicht motivieren."
Den Vorwurf eines undemokratischen Vorgehens weist der CDU-General entschieden zurück. Auch wenn natürlich die Zweitstimme an Bedeutung einbüßt. Die Verfassung schreibe ausdrücklich keinen Gleichklang von Personen- und Verhältniswahlrecht vor. "Der Bürger soll - zu Lasten des Parteieneinflusses - mehr Einfluss nehmen können", sagt Mohring.
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Südthüringer Zeitung: 11.10.2007
Zeitung: CDU bekäme mit Wahlreform deutlich mehr Landtagssitze
Erfurt (dpa/th) - Die Thüringer CDU würde mit ihrem Entwurf einer Wahlreform nach Berechnungen der «Thüringer Allgemeinen» (Mittwoch) ihren Vorsprung gegenüber der Opposition deutlich ausbauen. Hätte die Wahlreform mit einem verkleinerten Landtag bereits zur Wahl 2004 gegolten, würde die Partei einschließlich der Überhangmandate sieben statt zwei Sitze mehr als die Opposition haben. Die bisher gültigen Ausgleichsmandate für die Opposition will die CDU abschaffen. Die Wahlreform soll ab 2014 gelten. CDU-Generalsekretär Mike Mohring wies den Manipulationsvorwurf der Opposition zurück. Anders als die CDU wollen Linke und SPD auch die Zahl der Wahlkreise reduzieren.
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OTZ: 11.10.2007
Opposition lehnt CDU-Pläne für Wahlreform einhellig ab
FDP-Generalsekretär Patrick Kurth: Raffiniertes Instrument zum CDU - Machterhalt
Erfurt (dpa).Die geplante Wahlrechtsreform der CDU stößt bei der Thüringer Opposition auf einhellige Ablehnung.
Die Linke im Thüringer Landtag sprach von einem "Systemwandel innerhalb des Wahlrechts". Dies könnte aus Sicht seiner Partei nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag beschlossen werden, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer André Blechschmidt gestern in Erfurt. Anderenfalls würde die Linke vor das Landesverfassungsgericht ziehen. SPD-Chef Christoph Matschie sagte, wenn die Union die Zahl der Wahlkreise beibehalten und die Ausgleichsmandate abschaffen wolle, "dann müssten wir vor das Verfassungsgericht gehen, weil das offensichtlich verfassungswidrig ist".
Die CDU plant, den Landtag auf 66 bis 77 Mandate zu verkleinern, die Zahl der Direktmandate allerdings beizubehalten. Die Reform soll von 2014 an gelten. CDU-Fraktionschefin Christine Lieberknecht nannte die Reaktion der Opposition "übereilt". Die Landesverfassung biete in der Frage nämlich durchaus Spielräume.
Matschie argumentierte, das Verhältniswahlrecht sei in der Verfassung festgeschrieben. Die Wahlergebnisse der Parteien müssten sich in den Landtagssitzen widerspiegeln. "Die CDU weiß, dass ihr Vorschlag eigentlich Augenwischerei ist", betonte der Fraktionsvorsitzende. Die Union traue sich nur nicht, über eine gebotene Minderung der Wahlkreise etwa im Zuge der Gebietsreform zu sprechen. Einer Verringerung des Parlaments stimmen Linke und SPD aber grundsätzlich zu. Im Gegensatz zur Union wollen sie aber auch die Zahl der Wahlkreise reduzieren.
Der Generalsekretär der seit 1994 nicht mehr im Landtag vertretenen FDP, Patrick Kurth, bezeichnete die geplante Reform als "sehr raffiniertes Instrument zum Machterhalt". Nach seinen Worten könnte die Union im Extremfall mit nur 36 Prozent weiterregieren, auch wenn alle anderen Parteien 50 Prozent Zustimmung erhielten. Der FDP-Generalsekretär hält es für ein "demokratisches Unding", wenn die CDU mit einem Drittel Wählerzustimmung die Hälfte der Landtagsmandate erhielte. Die Liberalen schlagen vor, neben einer Verkleinerung des Landtags auch die Zahl der Direktmandate abzusenken. Bei 66 Abgeordneten sollte es 33 Direktmandate geben. "Das ist basisdemokratisch und -praktisch das Beste", sagte Kurth.
Lieberknecht sagte, die Proportion zwischen Direkt- und Listenmandaten müsse noch genau austariert werden. Jedenfalls sei nicht nur das Verhältnis 50 zu 50 verfassungsgemäß. Die CDU wolle bei der Vorbereitung der Reform mit anderen Fraktionen ins Gespräch kommen. Nach ihren Vorstellungen sollte bereits 2008 ein Reformentwurf im Landtag eingebracht werden, erläuterte Lieberknecht. Allerdings ei es auch denkbar, dies auf den Anfang der nächsten Legislaturperiode ab 2009 zu verschieben.