Geplante Wahlrechtsreform sichert Machterhalt der CDU-Landesregierung
Als ein "sehr raffiniertes Instrument zum Machterhalt" bezeichnete FDP-Generalsekretär Patrick Kurth die geplante Wahlrechtsreform der CDU. Laut Kurth könnte die CDU im Extremfall mit nur 36 Prozent weiterregieren, auch wenn alle anderen Parteien 50 Prozent Zustimmung erhielten. Die CDU plant, den Landtag auf 66 bis 77 Mandate zu verkleinern, die Zahl Direktmandate allerdings beizubehalten. Letzteres würde laut Kurth den Machterhalt sichern. Die Rechnung sei einfach. "Erringt die CDU wie bereits 2004 erneut 39 Direktmandate, kann sie sich einen Einbruch bei den Zweitstimmem leisten. Die Zusammensetzung des Parlamentes richtet sich eigentlich nach der Zweitstimme. Durch die Stärkung der Direktmandate wird dieses System ausgehebelt."
Laut den Berechnungen des FDP-Politikers könne die CDU bei einem 66-Mandate-Landtag auf 36 Prozent abstürzen, ohne die Macht zu verlieren, selbst wenn alle anderen Parteien zusammen auf 50 Prozent kämen. "Es ist eigentlich ein Hammer: Um die Alleinherrschaft der CDU zu brechen, bedürfte es bei der derzeitigen Verteilung der Direktmandate folgender Bedingungen: Erstens: Die CDU stürzt auf 33 Prozent ab. Zweitens: Alle anderen Parteien erringen zusammen 50 Prozent der Zweitstimmen und müssten drittens miteinenader koalieren. Selbst unter diesen Umständen würde die Union nur mit einer Stimme in der Minderheit sein." Der FDP-Generalsekretär hält es für ein "demokratisches Unding", wenn die CDU mit einem Drittel Wählerzustimmung die Hälfte der Landtagsmandate erhielte. "Das Wahlergebnis hängt von einer geringfügigen technischen Einzelheit ab: Vom Wahlrecht. Alles andere ist weitgehend sekundär."
Kurth unterstrich nochmals die Notwendigkeit der Landtagsverkleinerung. "Auch wenn für eine kleinere Partei der Mandatsverlust schmerzlicher ist, Maßstab müssen die politischen Notwendigkeiten sein." Der Vorschlag der FDP lautet allerdings, neben einer Verkleinerung des Landtages auch die Zahl der Direktmandate abzusenken. "Bei 66 Abgeordneten sollte es 33 Direktmandate geben. Das ist demokratietheoretisch und -praktisch das Beste!", sagte Kurth abschließend.
___________________________________
___________________________________
Anhang:
Zu verstehen, welche konkrete Auswirkungen die geplante Wahlrechtsreform hat, ist nicht so einfach. Nachfolgend erklären wir eben diese Auswirkungen:
Wie setzt sich der Landtag zusammen:
Entscheidend für die Zusammensetzung des Parlamentes ist grundsätzlich das Ergebnis der Zweitstimmen. Die Sitzplätze im Landtag werden an die Fraktionen anteilig so verteilt, wie sie an Zweitstimmen erhaben. Eine Partei, die etwas über 30 Prozent Zustimmung einfährt, erhält ca. ein Drittel der Plätze.
Die aus der Zweitstimme resultierenden Plätze werden zunächst mit den Direktmandaten aufgefüllt. Der Rest wird mit den Listenkandidaten besetzt. Gewinnt eine Partei keinen Wahlkreis, ziehen nur die Listenkandidaten ein.
Gewinnt aber eine Partei mehr Direktmandate, als ihr an Sitzplätzen aus der Zweitstimme zustehen, ziehen für diese Partei die gewählten Abgeordneten zusätzlich ein. Der Landtag wird um die Zahl der Überhangmandate vergrößert.
Was will die Union? Die CDU plant, den Landtag auf 66 bis 77 Mandate zu verkleinern. Die Zahl der derzeit 44 Direktmandate soll allerdings beibehalten werden.
Warum bevorteilt dies die Union?
Zunächst am Beispiel des Landtagswahlergebnisses von 2004:
(Direktmandate / Zweitstimme):
- CDU: 39 Mand. / 43.0 Prozent
- PDS: 5 Mand. / 26.1 Prozent
- SPD 0 Mand. / 14.5 Prozent.
Vor der Wahlrechtsreform (der Thüringer Landtag mit 88 Abgeordneten):
Daraus folgt die Sitzverteilung bei: CDU 45, PDS 28, SPD 15. Es gab keine Überhangmandate!
Da CDU und PDS Direktmandate errungen haben, werden diese zunächst zugeteilt, der Rest kommt von der Liste.
- Die CDU hat somit 39 Direktmandate + 6 Listenmandate.
- Die PDS hat entsprechend 5 Direktmandate und 23 Listenmandate.
- Die SPD füllte ihre Sitzplatzzuteilung komplett von der Liste auf.
Nach der vorgeschlagenen Wahlrechtsreform (der Landtag mit 66 Abgeordneten:
Zunächst werden die Sitze nach dem Zweitstimmenergebnis verteilt (Ausgleichsmandate entfallen, Überhangmandate können wahlrechtlich, entgegen der Zeitungsmeldungen, nicht ohne weiteres entfallen):
- Die SPD füllt ihre Sitzplatzzuteilung komplett von der Liste auf, insgesamt 11 Mandate.
- Die PDS erhält insgesamt 21 Mandate, darin enthalten sind die 5 Direktmandate und die 16 Listenmandate.
- Der CDU würden bei einem Zweitstimmenergebnis von 43.0 Prozent 34 Mandate zustehen. Da sie aber 39 Direktmandate hat, erhält sie auch 39 Sitze. Listenmandate ziehen nicht! Die CDU verfügt somit über 5 Überhangmandate.
Diese 5 Überhangmandate werden auf die gesamte Zahl der Abgeordneten aufgeschlagen. Der Landtag würde somit über 71 Abgeordnete insgesamt verfügen.
Damit hätte die CDU eine komfortable Mehrheit von 4 Mandaten.
Durch die Stärkung der Direktmandate kann sich die CDU einfacher als bisher die eigene Mehrheit sichern und sich einen z.T. erheblichen Einbruch bei der Zweitstimme leisten.
Beispiel (Direktmandate wie oben): Angenommen die CDU würde auf 36 Prozent abstürzen und alle anderen im Landtag vertretenen Parteien erhalten in der Zweitstimme gemeinsam 50 Prozent. Die CDU hätte Dank ihrer Direktmandate nach wie vor die Mehrheit.
Pari-Pari zwischen der Union und allen anderen Fraktionen entstünde bei 35 Prozent CDU und 50 Prozent für alle anderen.
Um die Alleinherrschaft der CDU zu brechen, bedürfte es (bei o.g. Direktmandaten) eines Absturzes auf auf 33 Prozent Zweitstimmen, wenn alle anderen Parteien müssten zusammen auf mindestens 50 Prozent kommen. Selbst dann folgt nicht ohne weiteres der Gang in die Opposition. Denn die Union würde nur mit einer Stimme in der Minderheit sein, alle anderen Parteien müssten miteinander koalieren.
Übertrieben gesagt: Fast ganz egal, wie das Zweitstimmenergebnis aussieht: Die CDU kann sich über ihre Direktmandate die Mehrheit sichern.
(Hinweis: Die Berechnungen basieren auf der Annahme, dass es sich um ein 66-Mandtate-Parlament handelt und die Direktmandate wie oben verteilt sind. Da die CDU eine Wahlrechtsreform zwischen 66 und 77 Mandatsträgern plant, ist zu beachten: Je mehr das Parlament insgesamt an Mitgliedern hat, desto schwieriger wird es für die CDU, ihre Mehrheit zu sichern.)