"A warm welcome to Thuringia" - Besuch des Internationalen Büros der Universität Erfurt und Vortrag über Internationalen Studierendenaustauch
Der Landesfachausschuss "Internationale Politik" thematisierte in seiner vergangenen Sitzung die "Internationalisierung Thüringer Hochschulen" und besuchte dazu am 20. August 2015 das Internationale Büro der Universität Erfurt, um sich im Gespräch mit der Leiterin, Frau Manuela Linde, ein Bild zu machen über die internationale Vernetzung der Universität sowie über die Chancen und Perspektiven zukünftiger Kooperationen zu sprechen.
Die Internationalisierung des Hochschulwesens steht immer mehr im Mittelpunkt der Diskussionen an den Thüringer Hochschulen. Der Anteil der internationalen Studierenden an der Gesamtzahl der Immatrikulierten wird zunehmend auch als einer der Hauptindikatoren für den Grad der Internationalsierung angesehen. Darüber hinaus ist neben der ökonomischen Standortstärkung das Ausländerstudium vor allem auch ein Instrument auswärtiger Kulturpolitik und entwicklungspolitischer Zusammenarbeit.
An der Universität Erfurt studierten zum Sommersemester 2015 388 ausländische Studenten. Die meisten ausländischen Studenten kommen aus China (28), Pakistan (22), Russland (25) und den USA (25). Die größte Nachfrage gibt es insbesondere nach dem englisch-sprachigen Studiengang "Master of Public Policy" mit 108 Studenten. Im Internationalen Büro der Universität betreut zurzeit ein Stab von drei Mitarbeitern die ausländischen Studenten. Sie verwalten neben den ankommenden Studenten auch die deutschen Studenten, welche über die Erasmus-Koordinierung und andere Programme im Ausland studieren, einschließlich ihrer Stipendien. Die Universität bietet den ausländischen Studenten in Zusammenarbeit mit dem Studentenwerk Wohnheimplätze an, eine Börse für WG-Zimmer von deutschen Studenten, die gerade im Ausland studieren sowie eine Ausfüllhilfe für Formulare der Ausländerbehörde.
Im Gespräch erläuterte die Leiterin, dass überdurchschnittlich sehr viele Bewerbungen die Universität aus dem Königreich Marokko erreichen, wobei nicht alle zugelassenen Studenten letztendlich bei der Universität ankommen, da für marokkanische Studenten zunächst ein Studienkolleg zur Erlangung eines Fachabiturs verpflichtend ist, welches aber nicht in jedem Bundesland existiert. Im Anschluss bewerben sich viele der marokkanischen Studenten erneut und verlassen Thüringen. Das ist eine generelle, ineffiziente Herausforderung für den Freistaat Thüringen. Viele ausländische Studenten orientieren sich nach ihrem Studium in Thüringen beruflich woanders hin, weil es an Arbeitsplätzen in ihren Studienfeldern im Freistaat mangelt. Zudem leidet das Internationale Büro unter der zunehmenden Bürokratisierung des Erasmus-Programms, besonders in den Bereichen der Stipendienverwaltung. Die gegenseitige Anerkennung absolvierter Studienmoduls zwischen den Universitäten in den Auslandssemestern ist weiterhin problematisch und erschwert zunehmend das Studium der Studierenden.
Besonders erfolgreich an der Universität Erfurt ist das Mentoren-Programm, welches jedem Studenten bei Studienbeginn einen Mentor zur Seite zu stellt, und die Initiative "Fremde werden Freunde" (www.fremde-werden-freunde.de). "Fremde werden Freunde" ist eine Initiative für Toleranz und Gastfreundschaft, welche sehr erfolgreich und mittlerweile zu einem Vorzeigeprojekt geworden ist. Dabei wird jedem Studenten ein Pate aus der Bürgerschaft der Stadt Erfurt zugeteilt, wodurch die ausländischen Studenten die deutsche Kultur und das deutsche Familienleben auf eine Weise kennenlernen, wie sie es sonst nie an der Universität erfahren hätten. Momentan gibt es 450 aktive ehrenamtliche Patenschaften für ausländische Studenten der Universität und der Fachhochschule.
Für die Zukunft wünscht sich das Internationale Büro mehr internationale Profilierung der Studiengänge an der Universität Erfurt sowie eine Weiterentwicklung der Veranstaltungen in englischer Sprache. Zudem wird angestrebt, bestehende Partnerschaften mit ausländischen Universitäten mehr in die Breite zu entwickeln.
Im Anschluss an den Besuch der Universität Erfurt traf sich der Landesfachausschuss zu einem Vortragsabend über die Möglichkeiten und Perspektiven des internationalen Studentenaustauschs für das Land Thüringen. Der stellvertretende Landesvorsitzende der JuLis Thüringen, Andreas Waschfeld von der Technischen Universität Ilmenau, hielt u.a. einen spannenden und interessanten Erfahrungsbericht von seinem Austauschjahr im muslimisch-geprägten Tiger-Staat Malaysia.
Der internationale Studierendenaustausch hat neben dem Erlernen von fachlichen und kommunikativen Kompetenzen auch für den Freistaat Thüringen einen großen kulturellen Wert, denn Studierende sind die heimlichen Botschafter der Freiheit. Vor dem Hintergrund einer Welt, die sich immer weiter von den traditionell gewachsenen, nationalen Grenzen abhebt und zunehmender, grenzenloser Vernetzung, haben internationale und interkulturelle Kontakte in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen.
Der Freistaat Thüringen muss aus Sicht des Landesfachausschuss "Internationale Politik" endlich gemeinsam mit den Menschen im Freistaat eine Internationalisierungsstrategie in allen öffentlichen Lebensbereichen umsetzen, um die Chancen und Herausforderungen der Globalisierung in der Zukunft erfolgreich zu gestalten. "A warm welcome to Thuringia" in den öffentlichen Verwaltungen ist dabei nur der Beginn einer Thüringer Willkommenskultur im Rahmen einer Internationalisierungsstrategie.