Die aktuelle Attacke der Brüsseler Eurokraten gegen Honorarordnungen von Freiberuflern richtet sich weniger gegen vermeintliche Privilegien als gegen den Verbraucherschutz. Warum er das so sieht, begründet der Thüringer FDP-Landesvize Dirk Bergner, der sich als Bürgermeister und als Diplomingenieur für Bauwesen in der HOAI auskennt.
Es sei ein Irrtum anzunehmen, dass die Mindestsätze von Honorarordnungen automatisch hohe Einkommen sicherten. "Beispielsweise bei der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure sind gerade bei kleineren Bauvorhaben die in den Tabellen vorgesehenen Honorare alles andere, als die Lizenz zu einer goldenen Nase.", weiß der gestandene Freiberufler, der auch eine Vorstellung davon hat, was für Betriebskosten mit diesen Honoraren abzudecken sind. Doch böte die als HOAI abgekürzte Ordnung einen für den Verbraucherschutz wesentlichen Vorteil: "Selbst öffentliche Bauherren tun sich bei der Anforderung von Angeboten über Ingenieurleistungen sehr schwer. Das Problem bei freiberuflichen Leistungen ist ja, dass man sie vorher noch nicht abschließend kennt." Es sei gerade das Besondere an freiberuflicher Arbeit, dass sie im Wesentlichen aus geistiger Arbeit bestehe und erst dazu diene, die Ideen zu entwickeln. Wenn das nicht so wäre, bräuchte man sie gar nicht erst, so Bergner weiter. "Die Honorarordnung definiert nicht nur Honorare, sie definiert vor allem, was für dieses Geld geleistet werden soll. Und eine gründliche Bauvorbereitung ist die beste Voraussetzung, um Pfusch am Bau und auch Kostenexplosionen zu vermeiden.", betont der Bauingenieur. Diesen Aspekt vermisse er in den Überlegungen der Brüsseler Eurokraten. Auch wenn Vorhaben wie der Berliner Flughafen oder wie die Elbphilharmonie immer wieder das Ansehen deutscher Planer diskreditierten, dürfe nicht übersehen werden, dass in solchen Fällen oft andere Ursachen bestünden. "Etwa, wenn Politik sich zu sehr in technische Belange einmischt oder vorher politische Kostenprognosen durchgedrückt werden, um Prestigeprojekte durchziehen zu können." Deshalb gelte weiter, die Honorarordnungen seien vor allem auch ein Mittel, um die geschuldete Leistung zu definieren.
"Wenn es nur noch um den Preis geht und nicht, was dahinter steckt, ist ein rapider Qualitätsverfall bei freiberuflichen Leistungen zu erwarten.", warnt der Freie Demokrat. Deshalb dürfe der Brüsseler Vorstoß nicht dazu führen, einen Preiskampf zu erzeugen, in dem oftmals die Leistungen nicht klar formuliert seien.
"Wenn die Bundesregierung tatsächlich den Forderungen aus Brüssel nachgeben will, muss sie vor allem dafür sorgen, dass die Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet bleibt.", so Bergner weiter. In dem Fall müsse die Forderung aufgemacht werden, dass Angebotsanforderungen so präzise und positionsweise formuliert werden, dass jeder Bieter sie gleich verstehen könne. "Eine Forderung, wie wir sie aus dem Bereich der Vergabe-und Vertragsordnung für Bauleistungen auch kennen.", erklärt der Liberale, und: "Das läuft dann im Prinzip auf ein umfassendes Leistungsverzeichnis hinaus." Auftraggebern, die das nicht leisten können, müsse vorbehalten bleiben, weiter die HOAI anzuwenden. Gleiches gelte für kleinere Maßnahmen, bei denen der Aufwand für ein umfassendes Leistungsverzeichnis sich nicht lohne und bei Maßnahmen, deren Leistungsumfang vorab nicht hinreichend beurteilt werden könne. "Es geht nicht darum, angebliche Privilegien zu schützen, es geht darum Verbraucherschutz und Vergleichbarkeit von Angeboten zu bewahren.", betont Bergner abschließend.