Die großen Städte Thüringens haben drei Gemeinsamkeiten: einen A4-Anschluss, klamme Haushaltskassen und nun bald auch die Zweitwohnsitzsteuer. Nachdem Weimar und Eisenach diese bereits eingeführt haben, wird sie am morgigen Mittwoch wohl auch von den Stadträten Jenas und Erfurts beschlossen. Doch das Ziel, die Einwohnerzahlen aufzubessern, wird Thüringen insgesamt wohl schaden, befürchtet zumindest Dr. Karlheinz Guttmacher. Der Bundestagsabgeordnete und FDP-Landesvorsitzende sieht die Gefahr, dass die ohnehin angeschlagenen Regionen Nord- und Südthüringens weiter ausbluten werden. Die Mehrzahl der Studenten an Thüringer Hochschulen sei beispielsweise aus dem Freistaat und müsste aufgrund der neuerlichen Steuern ihrer Heimat den Rücken kehren.
Auf lange Sicht würden aber auch nach Ansicht Guttmachers die Städte selbst Schaden nehmen. Angesichts des zu erwartenden Einbruchs ostdeutscher Studentenzahlen in den nächsten Jahren könnte die Attraktivität Thüringer Hochschulstandorte abnehmen. Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende im Jenaer Stadtrat Dr. Götz Blankenburg führt gegen die Abgabe gewichtige Argumente an. So ginge durch die gleichzeitige Steuererhebung in mehreren Städten die Lenkungsfunktion vollkommen verloren: "Egal, in welcher Großstadt man wohnt, irgendwo würde man immer Zweitwohnsitzsteuer zahlen." Eine flächendeckende Einführung sei die "moderne Wiederbelebung des Kirchenzehnts", meint Guttmacher. "Wenn das so weiter geht, müssen wir noch Frohndienste befürchten."
Stadtrat Blankenburg weist auf einen besonderen Fall hin: "Absurde Formen nimmt das Projekt an, wenn zum Beispiel die Stadt Gera plant, ihren Einwohnern die Zweitwohnsitzsteuer zu zahlen, sollten sie ihren Erstwohnsitz in Gera behalten. Dieser Kannibalisierung kann das Land nicht tatenlos zusehen.”, erklärte Blankenburg heute in Jena. Der Fraktionsvorsitzende meint den Thüringer Finanzausgleich, bei dem er, ebenso wie Landeschef Guttmacher, Regelungsbedarf sieht. Guttmacher wörtlich: "Nord- und Südthüringen stehen auf der Kippe. Speckgürtel A4 trägt leider nicht sehr viel zur Verbesserung der strukturschwachen Gebiete im Freistaat bei. Neuzuweisungen sind, sollen die Gebiete nicht völlig ausbluten, notwendig." Nicht zuletzt bemängelt Guttmacher die Beschneidung der persönlichen Freiheit der Bürger: "Lebensmittelpunkt ist dort, wo man seine Familie hat und wo man wohnt, nicht dort wo man arbeitet."
Bereits am Montag hatte der Bund der Steuerzahler darauf hingewiesen, dass die Einführung der Zweitwohnsitzsteuer hohe bürokratischen und kostenintensiven Aufwand zur Folge hätte.