Vor der Thüringer Staatskanzlei wehte heute die Schweizer Nationalflagge. Botschafter Tim Guldimann besuchte im Rahmen seiner Thüringen-Visite Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Die FDP-Landtagsfraktion hatte die Schweizer eingeladen. "Wir sind sehr zufrieden, dass es uns gelungen ist unsere Gäste für den Technologie- und Wirtschaftsstandort Thüringen zu begeistern", zieht der Fraktionsvorsitzende der FDP-Landtagsfraktion Uwe Barth am Ende des zweitägigen Besuches einer Delegation Bilanz. Die Leiterin des Handelsdienstes der Schweizerischen Botschaft, Lilach Guitar Nunez, und Britta Thiele-Klapproth vom Swiss Business Hub besuchten an zwei Tagen Thüringer Unternehmen und Verbände. Zum Abschluss hatte der Schweizer Botschafter Vertreter der Politik und der Wirtschaft zum "Swiss Business Lunch" in der Landeshauptstadt Erfurt eingeladen.
Der Besuch auf dem Beutenberg Campus in Jena demonstrierte eindrucksvoll wie breit aufgestellt die Thüringer Forschungslandschaft ist. Über fünfzig Institute und Firmen forschen, entwickeln und produzieren hier Hightech-Produkte. "Die Stärke Jenas ist die seit 450 Jahren ungebrochene Universitätstradition", erklärt Randolf Margull, Geschäftsführer des Technologie- und Innovationsparks. Man wolle Ideen in Produkte umwandeln. So komme es, dass man einige "Hidden Champions" auf dem Campus beheimate: kleine Unternehmen, die im Hochtechnologiebereich Weltmarktführer seien. Davon konnte sich die Delegation beim folgenden Rundgang durch das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie überzeugen. Der Forschungscampus sei optimal, um junge Hochqualifizierte in die Region zu holen, so Fraktionschef Uwe Barth. "Und wenn wir qualifizierte Leute haben, dann ziehen die Unternehmen nach", ist er überzeugt.
Am Donnerstagnachmittag besuchten die Liberalen mit ihren Gästen die Bystronic Maschinenbau GmbH in Gotha. Das traditionsreiche Unternehmen gehört zum Conzzeta-Konzern, der seinen Hauptsitz in schweizerischen Niederönz hat. 180 Beschäftigte produzieren am Standort in Gotha Maschinen zur Blechbearbeitung. Jeder zehnte Mitarbeiter ist in der Entwicklung tätig. Die benötigte Software für die Maschine wird im Unternehmen entwickelt. Im Krisenjahr 2009 habe man kräftig investiert und schaue jetzt sehr optimistisch in die Zukunft, so Geschäftsführer Sven Künkels. Die zentrale Lage in Deutschland, die gute Infrastruktur und zuverlässige Lieferanten aus der Region führte er als besondere Standortvorteile an. Größtes Problem für das Unternehmen, das seinen Hauptabsatzmarkt in Deutschland hat, sei die Gewinnung von geeigneten Fachkräften. Von seinen Gästen nach der Beziehung zur Schweiz befragt sagte der aus Norddeutschland stammende Geschäftsführer, Thüringen sei ein freundliches und offenes Land und passe deshalb gut als Partner zur Schweiz. Allerdings unterscheide sich Deutschland mit seiner strengen Arbeitsgesetzgebung von der liberaleren Schweiz.
Beim Abendtermin in den Räumen der Deutschen Bahn waren die Gäste beeindruckt von den Planungen für den neuen Verkehrsknotenpunkt Erfurt, die der Konzernbevollmächtigte für Thüringen, Volker Hädrich, vorstellte. "Das ist was ganz großes, was da entsteht", zeigte sich Thiele-Klapproth überrascht. Sie habe bisher nicht gewusst, dass es möglich sei, Erfurt so gut anzubinden. "Wir wollen die Leute schnell zu uns bringen", sagte FDP-Verkehrsexperte Heinz Untermann. Denn die zentrale Lage in Deutschland und Europa sei eines der stärksten Argumente für den Standort Thüringen.
Einen Überblick zur wirtschaftlichen Situation im Freistaat erhielten die Besucher am Freitag beim Gespräch mit Unternehmern im Verband der Wirtschaft Thüringens VWT. Dreieinhalb Prozent des Thüringer Außenhandels wird mit der Schweiz abgewickelt, die in vielen Bereichen ähnlich strukturiert ist. Das bestätigten auch die Gäste: ein starker, innovativer Mittelstand, und eine breite industrielle Basis. So könne man auch Wirtschaftskrisen gut überstehen, ist der Geschäftsführer des VWT, Stephan Fauth, überzeugt. Sorgen bereitet Thüringern wie Schweizern aber die Fachkräftesituation. Viele Thüringer Betriebe seien ausgelastet und bräuchten dringend qualifiziertes Personal um weitere Aufträge überhaupt bearbeiten zu können, weiß der Wirtschaftspolitiker Kemmerich. Dies sei eine Herausforderung, der man nur durch Bildung und Qualifikation begegnen könne, waren Gäste und Unternehmer einig. Thüringen sei ein interessanter Partner, so Thiele-Klapproth: "Hier ist Dynamik drin", ist sie am Ende des zweitägigen Besuches überzeugt. Davon werde sie auch den Unternehmern berichten, die sie in der kommenden Woche in Zürich treffen werde. Schon bei ihrem nächsten Besuch hofft sie entsprechende Kontakte anbahnen zu können. Das ist ganz im Sinne der FDP-Landtagsfraktion. Politik und Verbände könnten durchaus die Vorarbeit leisten. "Aber machen müssen das die Unternehmer selber".
Die Besuchsreihe der FDP-Fraktion mit Vertretern aus Wirtschaft und Diplomatie soll weiter fortgesetzt werden.