"Es ist auch eine lohnenswerte Aufgabe der Opposition, etwas für die Verbesserung der internationalen Beziehungen von Thüringen beizutragen", zog heute der Thüringer FDP-Chef Uwe Barth eine positive Bilanz des zweitägigen Besuches des polnischen Botschafters im Freistaat. Auf Einladung der FDP-Landtagsfraktion hatte Dr. Marek Prawda Jena, Weimar, Erfurt und Heiligenstadt besucht. "Die deutsch-polnischen Beziehungen sind jetzt gut, aber noch nicht ganz wetterfest", so Prawda. Deshalb gelte es die Immunkräfte zu stärken und das gegenseitige Verständnis zu verbessern. Der Besuch bei den Thüringer Liberalen habe dazu beigetragen und zahlreiche Anregungen für die künftige Zusammenarbeit geliefert.
Zum Auftakt seiner Reise hat Marek Prawda Jena besucht. Bei einem Arbeitsessen und dem anschließenden Besuch der Analytik Jena AG standen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Polen im Mittelpunkt. Die Jenaer Analytik-Hersteller sind stark auf dem polnischen Markt vertreten. "Kaum ein Labor unseres Nachbarlandes kommt ohne Jenaer Geräte aus", so Geschäftsführer Klaus Berka. Die Hightech-Geräte, aber auch die Kundenbetreuung und der Support durch die Analytik AG und ihr polnisches Partnerunternehmen würden hoch geschätzt. Jena sei "Leitstandort" für Forschung und Technologie in Thüringen, verwies FDP-Fraktionschef Barth auf die Bedeutung der internationalen Kontakte für die Wirtschaft. Er kündigte an, zu einem weiteren Besuch den Wirtschaftsattaché der polnischen Botschaft nach Jena einzuladen.
Im Mittelpunkt des Besuches in der Klassikerstadt stand das "Weimarer Dreieck". Vor 20 Jahren hatten hier Frankreich, Polen und Deutschland eine engere Zusammenarbeit vereinbart. In Thüringen herrsche ein besonderes Klima für das Weimarer Dreieck, stellte der Botschafter mit Blick auf die Impulsregion Jena-Weimar-Erfurt fest. Bei der Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks komme der Zivilgesellschaft besonders Bedeutung zu, sagte er beim Besuch im Rathaus von Weimar. Im Rahmen der Stippvisite bei der Mitgliederversammlung des Vereins Weimarer Dreieck schaltete er dessen Homepage frei.
Am Abend sprach Marek Prawda im Rahmen des 2. Internationalen Abends der FDP-Fraktion im gut besuchten Erfurter Kaisersaal zum Thema "Noch ist Polen nicht verstanden" über die Beziehungen zwischen Thüringen und Polen im 21. Jahrhundert. "Wir verstehen uns manchmal nicht, weil wir dieselben Debatten zu unterschiedlichen Zeitpunkten führen", sagte der Botschafter mit Blick auf die Aufarbeitung der neueren Geschichte. Dies führe dann zu überflüssigen Spannungen. Dabei verbinde beide Länder eine "Schicksalsgemeinschaft". Ohne die Entwicklung in Polen hätte es den Zusammenbruch der Berliner Mauer nicht gegeben und umgekehrt kein freies Polen. "Polen und Deutschland haben zu großen Veränderungen in Europa beigetragen. Dabei habe sein Land lange Zeit als "Problemfall in Europa" gegolten. "Jetzt können wir vielleicht etwas zur Problemlösung in Europa beitragen", sagte Prawda und verwies nicht ohne Stolz auf die liberale wirtschaftliche Entwicklung in seinem Land. Die "Schuldenbremse" gebe es dort bereits seit 13 Jahren. Ein Ladenschlussgesetz wie in Deutschland kennt das katholische Polen nicht. Die polnische Wirtschaft sei - wie die in Thüringen - stark von klein- und mittelständischen Unternehmen geprägt. Deswegen hätten beide Länder auch die Wirtschaftskrise relativ gut überstanden. Die Partnerschaft soll nach dem Wunsch des Botschafters durch die Einrichtung eines Honorarkonsulats in Weimar und ein Zentrum für deutsch-polnische Wissenschaftler an der Universität Jena weiter befördert werden. Uwe Barth empfahl abschließend der Landesregierung bei wirtschaftspolitischem Beratungsbedarf künftig Polen einzubeziehen. Er hoffe auf eine Überwindung der Skepsis und mehr Verständnis für Polen in der Bevölkerung. Einen Beitrag dazu habe der Abend sicher geleistet.
Am Freitagmorgen besuchte die FDP-Landtagsfraktion mit dem Botschafter die Thüringer Tourismus GmbH in Erfurt. Auf die polnischen Pilger könne man sich verlassen, sagte Prawda im Gespräch mit der Geschäftsführerin Bärbel Grönegres. Der Papstbesuch in Thüringen sei ein Ereignis, das man klug nutzen müsse. Er habe den Eindruck, dass man sich in Polen wieder verstärkt für die neuen Bundesländer interessiere. Durch regionale Tourismusangebote könne man Aufmerksamkeit schaffen und sich "gegenseitig entdecken".
Den Abschluss des Besuches bildete die Visite im Eichsfeld, die sich der Botschafter ausdrücklich gewünscht hatte. "Die Kirche ist für uns sehr wichtig", sagte Prawda mit Blick auf die polnische Geschichte. Das kommunistische Regime habe auch in Polen jede Glaubwürdigkeit verspielt. Vertrauen habe man nur zur Kirche gehabt. Propst Heinz Josef Durstewitz zog eine ähnliche Parallele: "Das Eichsfeld war für die DDR das, was Polen für den Sozialismus war - ein Schreckgespenst". Interessiert zeigte sich der Botschafter an der Marienkirche, durch die ihm der Propst eine sachkundige Führung gab. Beim gemeinsamen Mittagessen im Jugend- und Erwachsenenbildungshaus Marcel Callo regte der Botschafter an, Jugendliche aus Polen dorthin einzuladen. Sie könnten dort während des Papstbesuches untergebracht werden. Dieser Vorschlag stieß auf breite Zustimmung. Uwe Barth regte an, hier rasch konkret zu werden. Viel Zeit sei nicht mehr bis zu dem Besuch, der nicht nur ein Ereignis, sondern auch eine Chance für Thüringen sein werde: "Das ist eine gute Gelegenheit, Thüringen bekannt zu machen", ist der Fraktionsvorsitzende überzeugt. Nach dem Mittagessen verabschiedete sich der Botschafter dann wieder nach Berlin. Von seinem Besuch zeigte er sich sehr erfreut: "Das war kein Ritual, sondern ein Besuch, den ich mit dem Herzen erlebt habe". Die Besuchsreihe der FDP-Fraktion mit internationalen Spitzendiplomaten soll fortgesetzt werden.