Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Thüringer Landtag und Chef der Thüringer Liberalen, Uwe Barth, äußert sich einem heute in der Thüringischen Landeszeitung veröffentlichten Gastbeitrag zur Debatte um die Castor-Transporte:
In der Debatte um die Castor- Transporte wurden an dieser Stelle von Seiten der LINKEN und der Grünen höchst bemerkenswerte Rechtfertigungsversuche für Protestformen wie das sog. "Schottern" vorgetragen, welches nüchtern betrachtet nichts anderes als ein gefährlicher Eingriff in den öffentlichen Verkehr und mithin strafrechtlich relevant ist. Da wird geltendes Recht als "Ergebnis politischer und gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse" verstanden.
Die Ergänzung, dass dazu auch geltende Rechtsnormen "bewusst in Frage gestellt" werden müssten zeigt, dass es hier nicht um den Diskurs im parlamentarischen System geht. Wohin es führen kann, wenn schleichend aus lauthals und aggressiv vorgetragenen Minderheitenmeinungen (gefühlte) Mehrheiten werden, das hat die deutsche Geschichte mehr als hinlänglich gezeigt.
Durch Volkswillen legitimierte Parlamente sind als Gesetzgeber für die Regeln, nach denen sich unsere Gesellschaft organisiert, zuständig. In ihren Wahlprogrammen stellen die Parteien den Bürgern ihre politischen Ziele vor und sich damit zur Wahl. Auf diese Weise entstehen Mehrheiten. Man muss deren Inhalte auch nach der Wahl nicht teilen, aber man muss die Mehrheit zunächst respektieren. Protest, der sich in Demonstrationen äußert, ist legitim und manchmal notwendig. In aller Regel ist aber die Grenze zwischen Demonstration und Rechtsbruch klar erkennbar und für Rechtsbruch gibt es an dieser Stelle keine auch noch so moralisch klingende Rechtfertigung.
Große Demonstrationen dienen auch immer wieder Chaoten und Randalieren als willkommene Bühne. Die Anonymität der großen Menge ist eine verlockende und willkommene Gelegenheit, unerkannt Straftaten zu begehen. Dies ist ein Problem, mit dem sich viele Veranstalter immer wieder beschäftigen müssen. Umso wichtiger sollte es denen, die Sonderrechte wie die parlamentarische Immunität genießen, sein, ihre eigenen Demonstranten von solchen Randalierern frei zu halten. Diejenigen die das Recht setzen, sollten sich in besonderer Weise verpflichtet sehen, sich auch daran zu halten.
Die Proteste gegen die Castor-Transporte gehen einher mit Protesten gegen die Energiepolitik der Bundesregierung. Deshalb auch dazu einige Anmerkungen:
Kanzler Schröder und Umweltminister Trittin schlossen im Jahr 2000 beim sog. Atomausstieg einen nicht veröffentlichten Vertrag mit den Energieversorgern. Drei Punkte aus diesem Vertrag verdienen allgemeine Aufmerksamkeit.
1. "Die [rot-grüne] Bundesregierung wird keine Initiative ergreifen, um den Sicherheitsstandard und die diesem zugrundeliegende Sicherheitsphilosophie zu ändern." Da die letzten KKW nach dem Ausstieg etwa bis zum Jahr 2030 laufen sollten heißt das, dass bis zum Schluss ein dann 30 Jahre alter Sicherheitsstandard gegolten hätte. Das Energiekonzept der neuen Bundesregierung erweitert dagegen die Anforderungen an die Sicherheit der deutschen Kernkraftwerke und führt eine weitere Vorsorge ein.
2. "Die Bundesregierung wird keine Initiative ergreifen, mit der die Nutzung der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen diskriminiert wird. Dies gilt auch für das Steuerrecht." Das heißt, die Betreiber hätten alle Mehreinnahmen behalten dürfen. Die Brennelementesteuer von CDU und FDP bittet die Betreiber nicht nur "zur Kasse", das Geld wird zielgerichtet in die Entwicklung und Forschung zu Erneuerbaren Energien und Energiespeichern investiert.
3. "Die Erkundung des Salzstockes in Gorleben wird … 10 Jahre unterbrochen." Damit haben sich die roten und grünen Genossen den Frieden mit den Bürgerinitiativen erkauft, vor denen sie geflüchtet sind, als sie in Verantwortung waren, um heute wieder mit ihnen zu demonstrieren, diesmal allerdings - ungewollt - auch gegen die Folgen ihres eigenen Handelns oder besser: ihres Unterlassens.
Die Entwicklungen seit dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss zeigen, dass der Ausbau der sog. Erneuerbaren Energien deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Wer heute die Energieversorgung für unsere Bevölkerung und unsere Wirtschaft wetterunabhängig stabil und bezahlbar halten will, der kann auf absehbare Zeit nicht auf Kernenergie als Übergang verzichten. Das haben FDP und CDU erkannt und deshalb in ihren Programmen zur Bundestagswahl die Rücknahme der Laufzeitverkürzung angekündigt. Beide Parteien haben eine klare Mehrheit erhalten, trotz oder vielleicht auch wegen dieser Ankündigung. Man darf das anders sehen und dies auch auf Demonstrationen zum Ausdruck bringen. Damit sich dies nicht "auf dem Rücken der Polizei" abspielt, sollte man sich dabei an Recht und Gesetz halten.