Der Umweltausschuss der Thüringer FDP wird die Umweltprobleme in Gerstungen stärker beleuchten und dazu auch mit den FDP-Fraktionen in Kontakt treten. Von den Hessischen Liberalen werde man zur Problematik eine Stellungnahme einholen. Ebenso wollen die Thüringer Liberalen die FDP-Abgeordneten im Umweltausschuss und im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages zur Problematik anschreiben. Auch der EU-Abgeordnete Holger Krahmer, Mitglied im Umweltausschuss, soll auf die Problematik aufmerksam gemacht werden. So das Ergebnis einer gemeinsamen Sitzung des Umweltausschusses der FDP Thüringen und der Bürgerinitiative "Für eine schöneres Werratal". An die 40 Gäste, darunter zahlreiche Bürgermeister von Werraanliegern und unterschiedliche Verbandsvertreter, nahmen an der gestrigen Veranstaltung in Gerstungen teil. Neben Ausschussleiter Rudolf Huhn informierten sich Landesvorstand Heinz Untermann, Ausschussmitglied Heiko Sparmberg und Generalsekretär Patrick Kurth über die Kritik der Bürger aus Thüringen und Hessen. Besonders im Vordergrund standen die geplanten Maßnahmen zur Einleitung von salzhaltigen Haldenwässern in die Werra sowie der Bau eines Müllheizkraftwerks in Heringen.
Der Gerstunger Bürgermeister Werner Hartung sowie BI-Sprecher Klaus Reinhardt klärten in ihren Eingangsstatements über die bereits vorhandenen zahlreichen Umweltbelastungen der Region auf. Insbesondere verwiesen sie auf die Zahl deren Zahl. Die um 1900 begonnene Salzförderung in den Kaligruben hat neben riesigen Bergen aus Abraumsalzen, der Versenkung von überschüssiger Salzlauge in den Untergrund, Problemen mit Cadmiumbelastungen der Werra, der Untertage-Sondermülldeponie Herfa-Neurode und unterschiedlichsten chemischen Reststoffen aus der Kaligewinnung erhebliche Vorbelastungen auszuweisen. Die jüngsten Vorhaben der Firma Kali + Salz und die daraus befürchteten weiteren Umweltbelastungen seien daher für alle Anrainer von Kali und Salz Produktionsstandorten, aber auch die Unterlieger entlang von Werra und Weser bis nach Bremen, nur die Spitze des Eisberges.
Eine Erhöhung der Salzfracht der Werra durch die künstliche Zuleitung von Haldenabwässern durch eine Pipeline aus Neuhof bei Fulda, möglicherweise bis zur Ausschöpfung des veralteten Grenzwertes einer Genehmigung von 1942, werde abgelehnt. Die nach der Wende begonnene natürliche und unterstützte Renaturierung der Werra sei durch die ohnehin vorhandenen Salzfrachten der jetzigen Einleitung bereits behindert. Eine Erhöhung auf den Grenzwert von 2,5 g/Liter bedeute nach Auffassung der BI das Ende der Renaturierung und erneute erhebliche biologische Beeinträchtigungen der Werra. Ohnehin seien die meisten Auenbrunnen zur Trinkwasserversorgung wegen des Salzgehaltes des Grundwassers in den Talsohlen schon lange nicht mehr nutzbar. Probleme gebe es aber auch im Zusammenhang mit den riesigen Mengen der in den Untergrund verpressten Salzwässer. Diese träten an einer ganzen Reihe von Stellen wieder zu Tage und hätten zur Versalzung weiterer Brunnen geführt. Teure Fernwasserversorgung sei die Folge gewesen. Die Stadt Heringen sei sogar gezwungen ihre Abwasserkanäle aus salzfesten Materialien wie Kunststoffrohren zu bauen, was die Kosten extrem erhöhe.
Als besonders problematisch wird durch die BI auch das geplante Müllheizkraftwerk beurteilt. Man habe Angst hier werde nur eine veraltete Anlage und nicht die beste verfügbare Technik gebaut. Dies habe dann böse Folgen für die benachbarte Umwelt und die Gesundheit der Bürger, vor allem in Thüringen. Gerade dorthin würden zukünftig die häufigen Westwinde möglicherweise die Abgasfrachten aus Feinstäuben und anderen giftigen Verbrennungsrückständen tragen. Man sei ja nicht technik- oder industriefeindlich, aber das Verhalten von Vertretern der Kali und Salz bzw. BKB (als Bauherr) oder der hessischen Behördenvertreter des Regierungspräsidums Kassel bei der Bitte um Auskünften oder den bisher erfolgten Bürgerbeteiligungen hinterlasse bei allen Betroffenen den Verdacht, hier solle um jeden Preis gebaut werden. So sei es doch schon sehr eigenartig, dass in der schon erfolgten Umweltverträglichkeitsprüfung, als Vorstufe des weiteren Genehmigungsverfahrens, auf die zahlreichen Vorbelastungen nicht in ausreichendem Maß eingegangen werde. Und die in der humantoxikologischen Studie festgestellte erhöhte Lungenkrebsrate mit dem Zuzug älterer Männer zur Verbringung ihres Lebensabends erklären zu wollen mute wie Realsatire an.
Die Vertreter der FDP Thüringen äußerten Unverständnis für die Haltung der hessischen Behörden und erklärten volles Verständnis für die Sorgen und Befürchtungen der Bürger. Heiko Sparmberg erklärte unter Beifall, dass die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung ja gerade auch die Vorbelastungen rund um solche geplanten Großprojekte berücksichtigen solle. Ausschussleiter Huhn wies darauf hin, das die Vereinbarkeit weiterer Belastungen der Werra mit den Zielen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie problematisch sein könne. Generalsekretär Kurt sagte die Unterstützung der FDP Thüringens bei der Information des Hessischen Landesverbandes, aber auch des Bundesverbandes und der Abgeordneten zu. Man wolle sich des großen Problems gern aktiv annehmen und dem Bürgerwillen zur Geltung verhelfen.