Wie verhält sich das mit den Erst- und Zweitstimmen?
Wie nicht anders zu erwarten war, hechten sich nach dem Wahlausgang in Bayern einige Journalisten auf die Mär von den Leihstimmen. Kaum ist der Wahlsonntag vorbei, titelt beispielsweise die Ostthüringer Zeitung, die FDP buhle um Zweitstimmen der CDU. Dabei muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, was für ein Unwort der Begriff Leihstimme eigentlich darstellt. Er beinhaltet die Unterstellung, dass Wählerstimmen Eigentum einer Partei seien. Denn nur dann können sie sie auch verleihen. Eine Stimme verleihen kann aber nur der Souverän, das Wahlvolk. Sie, nur Sie, die Wählerinnen und Wähler können Ihre Stimme verleihen. Zeitlich begrenzt auf die Dauer einer Legislatur.
Der grobe Unfug, von Leihstimmen zu faseln, verrät vor allem Eines: Ein völlig verquastes Demokratieverständnis, das gerne auch mal von größeren Parteien übernommen wird, denen politische Vielfalt ein Dorn im Auge ist. Schließlich lässt politische Vielfalt den über lange Zeit angewachsenen Filz großer Parteien nicht so ungestört die Arroganz der Macht ausüben, wie sie es gerne hätten.
Wie verhält sich das nun mit den Erst- und Zweitstimmen?
Die Erststimme legt fest, welcher Kandidat mit einem so genannten Direktmandat für einen Wahlkreis in den Bundestag (oder bei Landtagswahlen in den Landtag) einzieht. Traditionell haben es kleine Parteien dabei besonders schwer, weil auf dem Weg nur der stärkste Kandidat eine Chance hat. Die Frage, wie viel Prozent eine Partei erreicht, regelt sich ausschließlich über die Zweitstimme. Die Zweitstimme wählt die so genannte Liste, sie allein ist beispielsweise wichtig für das Überspringen der 5-%-Hürde. Dieser Umstand ruft die so genannten taktischen Wähler auf den Plan. Diejenigen, die eine bestimmte Koalition wollen, und sich fragen, wo bei diesen Überlegungen wer die besseren Chancen hat. Bei engagierten Befürwortern von Schwarzgelb fällt die Überlegung leicht, die Erststimme einem CDU-Kandidaten zu geben, weil er die besseren Chancen auf ein Direktmandat hat und die Zweitstimme der FDP zu geben. Oft sind das Wähler, die Sympathie für beide Parteien hegen, mitunter CDU-Anhänger, die einen strategischen Partner für bürgerliche Politik haben wollen (manchmal damit auch die eigenen Leute in Trab bringen wollen, bevor sich die CDU zu sehr sozialdemokratisiert) und häufig auch FDP-Wähler, nicht selten sogar Mitglieder, wie ich aus persönlichen Gesprächen weiß, die aus den oben genannten Gründen ihre Erststimme einem "Schwarzen" geben, und dem eigenen Favoriten, der FDP, mit der wichtigen Zweitstimme zu einem brauchbaren Ergebnis verhelfen. Auch dann rede ich nicht von Leihstimmen, wenn FDP-Wähler ihre Erststimme einem CDU-Kandidaten geben. Das schlecht zu reden, wäre genauso arrogant und falsch wie umgekehrt. Es handelt sich um die wohlüberlegten Stimmabgaben von taktischen Wählern, die genau wissen, was sie tun.
Gleichwohl ist es wichtig, dass wir mit unseren Direktkandidaten wahrgenommen werden. Und ich weiß aus eigener (nicht nur einmaliger) Erfahrung, dass das Kärrnerarbeit ist im Dienste der liberalen Sache. Das haben unsere Kandidaten verdient, und das hat auch eine liberale Geisteshaltung in unserem Lande verdient. Wir freuen uns über beide Stimmen unserer Wählerinnen und Wähler. Besonders wichtig aber ist Ihre Zweitstimme. Wir brauchen Sie persönlich, Ihr Votum, Ihre Stimme für die Freiheit in unserem Land.
Dirk Bergner