Trotz eisiger Temperaturen war Kundgebung im Schlossgarten gut besucht
Greiz, 5. März 2005. Während nach Presseangaben der NPD- Aufmarsch auf dem Greizer Markt ca. 230 Teilnehmer zählte, trafen sich zur Kundgebung der Allianz der Demokraten ca. 800 Bürgerinnen und Bürger, die ein klares Signal gegen braune Demagogen setzen wollten.
Neben einem breit gefächerten kulturellen Angebot sprachen zu den Kundgebungsteilnehmern u.a. Landrätin Martina Schweinsburg (CDU), Bürgermeister Dr. Hemman (SPD), der PDS- Landesvorsitzende Hausold, der Gewerkschafter Willi Brüssel- Mautner (Grüne), der FDP- Kreisvorsitzende Dirk Bergner (zugleich Besitzer im FDP- Landesvorstand), Marion Zimmer (Grüne), Vertreter des Vereins gegen soziale Kälte und Freidenker.
Den würdigen Abschluss bildete die ökumeische Andacht mit Superintendent Görbert und Pfarrer Brosig.
Bergner äußerte sich erfreut, dass zahlreiche Bürgerinnen und Bürger auch aus dem Landkreis Solidarität zeigten mit der Kreisstadt. So waren auch FDP- Mitglieder und -Sympathisanten aus Ronneburg, Bad Köstritz und Hohenleuben zugegen, ebenso wie der Greizer Bündnispartner IWA gut vertreten war.
Bergner zeigte sich überzeugt, "dass die rege Teilnahme für vergleichbare Fälle eine gute Anregung für noch mehr Menschen sein kann, sich zu engagieren."
Zum Redebeitrag des FDP- Kreisvorsitzenden:
"Der Preis der Freiheit steigt, wenn die Nachfrage sinkt."
Gustav Heinemann zum 25. Jahrestag der Verabschiedung des Grundgesetzes
Meine Damen und Herren,
dieses Zitat des Altbundespräsidenten Heinemann sollten wir uns auf der Zunge zergehen lassen. "Der Preis der Freiheit steigt, wenn die Nachfrage sinkt." Wir sind miteinander hier, um diesen Preis für die Freiheit nicht ins Unermessliche wachsen zu lassen. Und wenn ich sehe, wie viele Menschen hierher gekommen sind, wird mir nicht bange.
[Anrede],
in diesen Tagen erleben wir, dass rechtsradikale Demagogen den Menschen einfache Lösungen für unbestreitbar vorhandene Probleme versprechen. Mit "Schnauze voll" und fremdenfeindlichen Parolen treffen sie den Nerv mancher Zeitgenossen und setzen an, um dieses Land so umzuformen, dass es einen nur frösteln kann.
Unverholen fordert die NPD in ihrem Parteiprogramm die Wiederherstellung der geschichtlich gewachsenen Grenzen Deutschlands. Welche denn, die von 1918 oder gar die von 1871? Und dass sie das angeblich mit friedlichen Mitteln erreichen wollen, kann nur ein dürftiges Feigenblatt darstellen. Frieden mit unseren Nachbarn werden wir so jedenfalls nicht haben können.
[Anrede],
vergessen wir nie, wer die ehemaligen deutschen Ostgebiete verspielt hat. Es waren die Nationalsozialisten, die Deutschland in die schlimmste Katastrophe seiner Geschichte geführt haben. Es waren die "nationalen Sozialisten", die den "totalen Krieg" vom Zaun brachen, der dann unbarmherzig auf Deutschland zurückschlug mit allen Folgen. Ohne die Nazis wären heute noch Königsberg, Stettin, Breslau und Gleiwitz mit der größten Selbstverständlichkeit deutsch, ohne die Nazis wären die Deutschen nicht vertrieben worden, ohne die Nazis hätte meine Mutter nicht ohne Vater aufwachsen müssen!
[Anrede],
es ist für mich unerträglich, dass ausgerechnet die geistigen Erben der braunen Diktatur für sich reklamieren, "die wahren Deutschen" und die "wahren Patrioten" zu sein. Wer wirklich dieses Land liebt, wer wirklich patriotisch denkt und fühlt, der setzt sich mit Leib und Seele ein, dass dieses Land nie wieder in die Hände einer Diktatur gerät, und der tut alles, damit Deutschland nie wieder seine Nachbarn zum Feind hat. Echter Patriotismus kennt die dunklen Flecken unserer Geschichte und verbindet den Stolz auf die positiven Seiten mit Weltoffenheit, der Achtung und dem Respekt vor anderen Völkern. Den Satz, "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.", müssen wir uns von braunen Dumpfbacken nicht wegnehmen und kaputt machen lassen.
Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen. In einer fatalen Mischung aus berechtigter Sorge und deplazierter Sensationslust ist seit den sächsischen Landtagswahlen der NPD eine Medienpräsenz eingeräumt worden, über die demokratische Parteien glücklich wären. Indem über jede Provokation lang und breit berichtet wird, erhält die NPD in den Medien eine Öffentlichkeit, die ihr nur dienlich sein kann. Rechtsradikalismus darf nicht verheimlicht werden, er darf aber auch nicht durch überzogene Berichterstattung mehr Bedeutung erfahren, als ihm zukommt.
Umgekehrt darf eine Berichterstattung wie am Wahlabend Rechtsradikale nicht zu Märtyrern machen. Die NPD- Leute haben zur Genüge gezeigt, dass sie zwar zumindest in den Führungsetagen Springerstiefel gegen Anzüge getauscht haben, nicht jedoch die politische Gesinnung. Genau die zu hinterfragen, ist die Aufgabe von gutem Journalismus.
Und die politische Auseinandersetzung muss offensiv aufzeigen, dass Verharmlosung des Nationalsozialismus, "Schnauze voll" und fremdenfeindliche Parolen noch lange keine politischen Konzepte sind. Sie sind allenfalls der Anfang vom Zurück in eine Vergangenheit, die niemand ernsthaft wollen kann. Noch nicht einmal aus Protest.
[Anrede],
es ist unbestreitbar, dass wir vor einer Menge von Problemen stehen. Die Staatsverschuldung hat eine erschreckende Höhe erreicht und steigt immer noch. Die wirtschaftliche Entwicklung verhält sich umgekehrt proportional zu den Arbeitslosenzahlen, und statt Bürokratieabbau steigt der Wust an unsinnigen Vorschriften und Gesetzen.
Das darf jedoch nicht dazu führen, sich von Freiheit und Demokratie abzuwenden. Im Gegenteil. Wer alt genug ist, hat selbst erfahren, dass weder Nazibonzen noch danach Betriebsparteisekretäre die bessere Lösung waren. Mischen Sie sich selber ein, bringen Sie sich, Ihre Meinungen, Ihr Wissen und Können ein in den politischen Entscheidungsprozess. Machen Sie mit in Bürgerinitiativen und in den politischen Parteien, die Ihren Vorstellungen am nächsten liegen. Dass es dabei die Partei, die Organisation gäbe, die in allen Punkten zu Ihnen passt, wäre freilich eine Illusion. Dafür müssten Sie eine Ein - Mann - Partei gründen. Denn schon da, wo zwei Menschen sind, wird es unterschiedliche Auffassungen geben. Sich aber resigniert an den Stammtisch zu setzen und "auf die da oben" zu schimpfen, löst gewiss erst recht keine Probleme. Streiten wir miteinander für das Fortkommen dieses Landes, dieser Region und dieser Stadt. Streiten wir miteinander für die Zukunft unserer Kinder. Und sorgen wir gemeinsam dafür, dass nie, nie wieder ein Mensch für seine Zugehörigkeit zu einer Religion, einer Nation oder für seine politische Überzeugung um seine Freiheit oder gar sein Leben fürchten muss.
Machen wir miteinander im Sinne des Heinemannzitats deutlich, dass die Nachfrage nach der Freiheit nicht gesunken ist.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.
Foto: Bergmann