Bergner: Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen demokratischer Parteien und Organsisationen ja, nicht aber an Randale
Frau Marsch von Durcblick-Greiz.de hatte den FDP- Kreisvorsitzenden, Dirk Bergner, um eine Stellungnahme zu dem geplanten NPD- Aufmarsch in Greiz gebeten.
Den Inhalt der Stellungnahme lesen Sie unter:
Sehr geehrte Frau Marsch,
für Ihre Anfrage danke ich recht herzlich. Bereits zuvor hatte ich eine telefonische Anfrage, für die ich ebenfalls dankbar bin. Grundsätzlich sind wir selbstverständlich bereit, uns an gemeinsamen Veranstaltungen demokratischer Parteien und Organisationen zu beteiligen, zu klären ist das Wie und Wo.
Nicht zur Verfügung stehen wir für Randale, wie ich sie unfreiwillig vor einigen Jahren im Umfeld des Leipziger Völkerschlachtdenkmals ansehen musste. Dort waren aus dem gesamten Bundesgebiet so genannte "Autonome" angereist, die im Umfeld eines NPD- Aufmarschs Polizisten angriffen, mit herausgerissenen Pflastersteinen und Schotter aus dem Gleisbett der LVB bewarfen, Autos demolierten, friedlichen Anwohnern die Fenster einwarfen und Abfallcontainer anzündeten, um sie brennend auf die Straße zu schieben. Ein solches Szenario darf es in Greiz nicht geben. Im Gegenteil, so etwas leistet einer straff organisierten rechtsextremen Truppe eher Vorschub, wenn sie sich als diejenigen darstellen können, die "diszipliniert und ordentlich" demonstrieren, während andere randalieren.
Ich wiederhole mich, zu einem Schulterschluss demokratischer Kräfte gegen Antidemokraten sind wir bereit, es kommt jedoch im Konkreten auf das Wie an. Sie werden verstehen, dass ich Gesprächen an dieser Stelle nicht vorgreifen will.
Zeichen zu setzen, ist zweifelsohne richtig. Wir dürfen dabei jedoch die Konzentration auf wesentliche Dinge nicht hinter Aktionen aus den Augen verlieren. Wenn etwa Stoiber mahnt, dass schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen einen Nährboden für (Rechts-)Radikale darstellen, stimmt das. Ins Unrecht setzt er sich, wenn er dabei mit platten Parolen nur auf die politische Konkurrenz eindrischt. Dass er tatsächlich die dringend notwendigen Lösungen anpacken würde (nämlich Abbau von Bürokratie und Staatsquote), kann ich auch in Bayern nicht erkennen. Braunen Radikalen den Nährboden zu entziehen, kann sich aber nicht "nur" darin erschöpfen, wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Mindestens ebenso wichtig sind die bildungspolitischen Ansätze. Wenn etwa für Geschichte nur eine Wochenstunde zur Verfügung steht, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass Heranwachsende zu wenig wissen über die verhängnisvollen Fehler der deutschen Vergangenheit und über unvorstellbare Verbrechen, die im Namen unseres Volkes begangen wurden. Die ehrliche und offene Behandlung dieser Vergangenheit kann man auch nicht dadurch ersetzen, dass man lieber gar nichts macht und etwas verschämt das Gefühl lanciert, als sei Nationalstolz etwas rückwärts Gewandtes für potenzielle Rechtsradikale. Im Gegenteil, ein offensiver Umgang mit der deutschen Geschichte, der den Heranwachsenden vermittelt, wofür wir allen Grund haben, uns zu schämen, aber auch, worauf wir stolz sein können, ist vonnöten. Den Satz "Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.", dürfen wir uns nicht von braunen Dumpfbacken wegnehmen lassen. Im Gegenteil, wir müssen klar benennen, dass es die Braunen waren, die Deutschland in die schlimmste Katastrophe seiner Geschichte geführt haben. Ohne die Nazis, deren geistige Enkel sich heute schon wieder als die "wahren Deutschen" titulieren, wären heute noch Königsberg, Stettin, Breslau und Oppeln in aller Normalität deutsch, ohne sie wäre niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, Deutsche aus Karlsbad, Außig oder Brünn zu vertreiben. Es war das braune Gesindel, das Deutschland in den Abgrund getrieben hat und dessen Krieg unbarmherzig auf die Deutschen zurückschlug.
Positiver Nationalstolz hingegen beinhaltet die Achtung des Anderen, respektiert und schätzt andere Völker, Religionen und Minderheiten. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einen ukrainischen Kollegen meiner Mutter. Pawel Michailowitsch hatte im Krieg durch die Deutschen seine gesamte Familie verloren. Eltern, Geschwister, Frau und Kinder. Wenn ein Mensch einen Grund hatte, die Deutschen zu hassen, dann er. Als meine Mutter noch zu DDR- Zeiten deutsche Studenten betreute, die zum Austausch in Odessa waren, wurden sie auf offener Straße beschimpft als Faschisten. In Schutz genommen wurden sie von Pawel Michailowitsch mit den Worten: "Lasst sie in Ruhe, das sind die Kinder und Enkel. Die können nichts dafür." Am 3. Oktober 1990 kam ein Glückwunschtelegramm aus der Ukraine. Von Pawel Michailowitsch. Er gratulierte zur deutschen Einheit. Eine solche geistige Größe ist beispielhaft, wie ich finde. Und sie hat ihn nicht daran gehindert, sein Land zu lieben.
Ohne das an dieser Stelle zu lang auswalzen zu wollen, Bildung an der Schule muss mehr Wert legen auf das Vermitteln von Geschichtskenntnis, politischer Allgemeinbildung und humanistischen Werten. Mindestens die gleiche Verantwortung, und das sage ich auch als Vater von 2 Kindern, tragen jedoch auch die Eltern.
Ein weiterer Punkt, auf den es ankommt, ist politische Glaubwürdigkeit. Gerade weil in der öffentlichen Wahrnehmung die negativen Fälle dominieren, möchte ich an der Stelle zwei positive Ereignisse aus Thüringen benennen. Mein Respekt gilt beispielsweise an dieser Stelle Heike Taubert (MdL, SPD), die die Konsequenz aus der Hack- Affäre bei der AWO gezogen hat. Als der wegen Veruntreuung rechtskräftig verurteilte AWO- Geschäftsführer Michael Hack (SPD) entgegen Tauberts Votum Geschäftsführer blieb, war ihr Rücktritt aus dem Vorstand eine Geste politischer Glaubwürdigkeit. (http://www.freies-wort.de/nachrichten/thueringen/resyart.phtm?id=756450)
Beispiel 2 ist Ex- Innenminister Köckert (CDU), der im Haushaltsausschuss die finanzielle Demontage der Kommunen nicht mit getragen hat. Auch das ist ein Zeichen politischer Glaubwürdigkeit. Denn dass Köckert in seiner Fraktion dafür nicht nur Sympathie entgegen schlagen dürfte, kann als gesichert gelten. Umso trauriger das Verhalten der CDU- Fraktion, die nicht nur für meine Begriffe rechtswidrig den gerade gefällten Beschuss kassiert hat, sondern auch noch statt Köckert eine andere CDU- Kollegin angeschleppt brachte, um doch noch das gewollte Ergebnis durchzudrücken. Wer sich so verhält, darf sich über Politikverdrossenheit nicht wundern. http://www.ovz-online.de/regional/regional_texte/22759.html
Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen. In einer fatalen Mischung aus berechtigter Sorge und deplazierter Sensationslust ist seit den sächsischen Landtagswahlen der NPD eine Medienpräsenz eingeräumt worden, über die demokratische Parteien glücklich wären. Indem über jede Provokation lang und breit berichtet wird, erhält die NPD in den Medien eine Öffentlichkeit, die ihr nur dienlich sein kann. Rechtsradikalismus darf nicht verheimlicht werden, er darf aber auch nicht durch überzogene Berichterstattung mehr Bedeutung erfahren, als ihm zukommt.
Wenn ich dabei auf die sächsische Landtagswahl zu sprechen komme, denke ich auch an die unsägliche Art, wie Medienvertreter die Interviews führten. Die NPD- Leute haben zur Genüge gezeigt, dass sie zwar zumindest in den Führungsetagen Springerstiefel gegen Anzüge getauscht haben, nicht jedoch die politische Gesinnung. Und genau die zu hinterfragen, hätte guter Journalismus ansetzen müssen und können. Die politische Auseinandersetzung muss offensiv aufzeigen, dass Verharmlosung des Nationalsozialismus, "Schnauze voll" und fremdenfeindliche Parolen noch lange keine politischen Konzepte sind. Sie sind allenfalls der Anfang vom Zurück in eine Vergangenheit, die niemand ernsthaft wollen kann. Noch nicht einmal aus Protest.
Mit freundlichen Grüßen
FDP- Kreisverband Greiz
Dirk Bergner
Vorsitzender