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Standpunkte
Pierre Fenk
Pierre Fenk

Liebe Leserinnen und Leser,

in lockeren Abständen wollen wir auf unserer Internetseite persönliche Standpunkte zu verschiedenen wichtigen Themen von Zeitgeschichte und Tagesgeschehen zur Diskussion stellen. Die in der Reihe "Standpunkte" vertretenen Auffassungen sind keine "offizielle" Position des FDP- Kreisverbands Greiz, sondern die persönliche Meinung des Autors.

Nachfolgend meldet sich Pierre Fenk als Betroffener zu Wort. Er ist Mitglied des FDP- Ortsverbands Ronneburg:


Als Arbeitslosengeldempfänger sehe ich dem 01.01.2005 mit äußerst gemischten Gefühlen entgegen. Warum? Das Inkrafttreten des "4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (ALG II)".
Um eines vorweg zu schicken: Das Hartz IV Gesetz ist kein absolut schlechtes Gesetz, und wir können uns einen Sozialstaat wie bisher auch nicht mehr leisten. Es ist aber ein Gesetz, das im Osten unseres Landes einfach nicht funktionieren kann und wird. Und ich befürchte, dass es die Spaltung zwischen Ost und West noch vertiefen wird. Es ist ein Gesetz, das "westlich orientiert" formuliert wurde. Auch wenn dieses Gesetz längst überfällig ist, geht man hier doch einen falschen Weg, indem man den 2. Schritt vor dem 1. unternimmt. Man schafft effektiv keine Arbeitsplätze, fordert aber von den Arbeitslosen enorme Einschnitte.



"Das zugrunde liegende Prinzip lautet "Fördern und Fordern": Langzeitarbeitlosen wird eine Chance auf dem Arbeitsmarkt geboten, im Gegenzug ist allerdings deren Eigenverantwortung in dem Bemühen um Arbeit gefordert."(1)

Es ist ja durchaus richtig, Arbeitssuchende stärker zu fordern. Aber was, wenn es keine Arbeitsplätze gibt? In Gera und Umland stehen laut OTZ 430 freie gemeldete Stellen 15.000 Arbeitslosen gegenüber. Diese Zahlen sprechen für sich eine ebenso traurige wie erschreckende Sprache.

Wie will man da mit Hartz IV Stellen schaffen? - "Ein-Euro-Jobs"!?
Ich glaube kaum, dass dies in dieser Größenordnung möglich sein wird. Außerdem darf man ja eines nicht vergessen: Die Jobs des Herrn Clement sollen ja zeitlich eng begrenzt werden (6-9 Monate), damit sich der Arbeitslose nicht allzu sehr daran gewöhnt. Was wird danach sein? Und ebenso sind sie ja auch nicht für jeden zugänglich. Laut Gesetz gilt:

"Arbeitsuchende, die auf dem normalen Arbeitsmarkt auf absehbare Zeit keine Stelle finden, sollen Arbeitsmöglichkeiten angeboten werden, die im öffentlichen Interesse liegen."(1)

Wäre es da nicht sinnvoller Geld in Lohnkostenzuschüsse zu stecken, um reguläre Arbeitsplätze zu schaffen? Denn eines ist klar: Es gibt Arbeit in Deutschland, es kann sie nur niemand bezahlen!

Überhaupt kommt dieses Gesetz ziemlich einseitig daher. Was ich vermisse, sind Reformen am Arbeitsmarkt, die de facto Arbeitsplätze schaffen könnten. So vermittelt man aber dem Arbeitslosen das Gefühl, man nimmt ihm Geld weg und lässt ihn mit einem Scherflein im Regen stehen.

Wer am 01.01.2005 in einer Hausgemeinschaft mit Verwandten lebt, oder dessen Partner noch gut verdient, dem droht neues Ungemach. Wer kein Anspruch auf ALG II hat, der ist dann auch nicht mehr kranken- und rentenversichert. Denn wer nicht bedürftig ist, der könne auch selbst für seine Versicherungen aufkommen. Und nicht nur das. Wenn man das Gesetz richtig interpretiert, haben nur ALG II - Empfänger Anspruch auf die Förderleistungen der Arbeitsagentur, so z.B. Vermittlungs- oder Bildungsgutscheine. Wie die Chancen der Nicht-Bezieher auf dem Arbeitsmarkt dann steigen, kann man sich ja selber denken. Wie viele es treffen wird, lässt sich bislang noch nicht sagen. Schätzungen gehen von 15% aller Arbeitssuchenden hier im Osten aus.

Was mir weiter sauer aufstößt, ist die Tatsache, dass der Arbeitslose seine Altersvorsorge auflösen muss, bevor er Anspruch auf ALG II hat. Natürlich gibt es Freibeträge. 200€ pro Lebensjahr. Aber die enden bei maximal 13.000€. Und was sind 13.000€ heute noch? Und das von einer Regierung, die den Menschen predigt, man solle doch selbst fürs Alter vorsorgen. Das klingt doch schon höhnisch.

Und es endet ja nicht bei der Altersvorsorge. Es geht auch um angemessenen Wohnraum. Wie wird das ganze geregelt? Wer auf eine gesetzliche Verallgemeinerung hofft, der irrt gewaltig:

"Was eine angemessene Wohnung, angemessenes Wohneigentum oder ein angemessenes KFZ ist, wird in der Verantwortung der Arbeitsagenturen oder der Kommunen vor Ort liegen. Beide können auf die bestehende Verwaltungspraxis zurückgreifen. Der Gesetzgeber hat hier keine festen Größen vorgeschrieben."(1)

Mit anderen Worten: Der Arbeitslose in Sachsen könnte (theoretisch) eine größere Wohnung bekommen, als der Arbeitslose in Thüringen. Mitunter kann das sogar von Landkreis zu Landkreis differieren. Was soll das denn? Warum ist es nicht möglich, wenigsten einheitlich zu sagen: "So und soviel Quadratmeter stehen dir noch zu!"? Und für den Landkreis Greiz wird eine Regelung erst im 4. Quartal erfolgen!

Einer der Punkte ist ja auch die hohe Jugendarbeitslosigkeit.

"Arbeitslose unter 25 Jahren sollen unverzüglich ab Antragstellung in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit vermittelt werden."(1)

Ein löbliches Unterfangen. Aber wie will man das ganze denn durchsetzen ohne Arbeitsstellen? Vermittlung der Arbeitssuchenden gen Westen? Da sieht es mittlerweile auch nicht mehr golden aus. Und SO stoppt man keine Abwanderung, man beschleunigt sie!

Natürlich sollten Arbeitslose flexibel sein, was den Standort einer möglichen Arbeitsstelle betrifft. Darum darf ja auch jedes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft großzügig ein KFZ sein eigen nennen. Nur, wenn man den heutigen Benzinpreis bedenkt, dann wird man mit seinem Fahrzeug bei 331€ nicht weit kommen. Dazu steigen die Kfz-Steuern empfindlich ab 2005 gerade für ältere Fahrzeuge. Und welcher Langzeitarbeitslose fährt hier schon ein neues Automodell?

Die Idee der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe ist ja keine schlechte. Man will damit Bürokratie sparen. Aber genau diese Bürokratie bläht man auf mit einem 16seitigen Formular, dass nichts weiter ist, als ein Offenbarungseid. Von pensionierten Westbeamten, die per "Buschzulage" in den Osten reisen, ganz zu schweigen. "Willkommen in den Kolonien!", möchte man ihnen zurufen. Nein, dafür habe ich kein Verständnis.

Durch Hartz IV wird es Verlierer und Gewinner geben. Gewinner werden Sozialhilfeempfänger sein und jene, die es geschickt schaffen, ihr Vermögen vor dem Staat zu "verstecken".
Dabei sollte man aber auch bedenken, dass die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Osten weitaus niedriger ist als in Westdeutschland. Hier empfangen die meisten Menschen Arbeitslosenhilfe.
Wer hingegen ehrlich ist und, oder Single, für den wird das Leben mit Hartz hart.

Mag sein, dass einiges, was ich schreibe, subjektiv klingt. Aber bei der mangelhaften Aufklärung durch die Bundesregierung, die doch eigentlich die "PR-Regierung" schlechthin ist, ist es doch kein Wunder, dass Ängste entstehen. Das Einzigste, was vom Arbeitsamt vor dem Mammut-Antrag kam, war ein Brief, man möge doch von Anrufen bei der Arbeitsagentur zum Thema
Hartz IV vorläufig absehen.



Meiner Meinung nach ist dieses Gesetz handwerklich eine Katastrophe. Es ist ein unausgegorenes Kind, geboren aus dem Druck der Verzweiflung handeln zu müssen.
Dieses Gesetz muss ausgesetzt werden, bis es spürbare Impulse auf dem Arbeitsmarkt gibt, natürlich bei gleichzeitiger intensiver Arbeitsplatzvermittlung. So aber steht zu befürchten, dass durch geschwächte Kaufkraft und die Konsumverweigerung der Bürger die Konjunktur im Keim erstickt wird.
Wer wirklich Arbeitslosigkeit bekämpfen möchte, darf den Arbeitslosen nicht das Gefühl geben, sie zu bekämpfen.

Noch ein Wort zu den Montagsdemonstrationen:

Ich kann hier allerdings nur für Gera sprechen.
Dort werden die Demonstrationen unparteiisch von der "Initiative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit" durchgeführt, der sogar mindestens 1 Mitglied der SPD angehört! Natürlich werden sie von DGB und PDS unterstützt. Diese sind, bedauerlicherweise, die einzigen, die auf die Situation der Arbeitslosen eingehen.
Den Menschen dort liegt es fern, sich mit denen zu vergleichen, die 1989 auf die Straße gingen, um für ihre Freiheit zu kämpfen.
Nein, diese Menschen fühlen sich unsicher und von der Regierung im Stich gelassen. Sie treibt die nackte Existenzangst auf die Straße und eben diese Unsicherheit, wie es nach dem Januar 2005 weitergehen soll. Ich kann nur jedem empfehlen, einmal in die Gesichter der Menschen zu schauen, die da auf der Straße demonstrieren. Kann man ihnen das verübeln?
Von Angst zu Wut ist es nur ein kleiner Schritt. Und wenn man dann noch die selbstgefälligen TV-Auftritte eines Herrn Clement sieht, versteht man, warum die Volksseele überkocht.

Um zum Schluss eines noch mal klar zu stellen:
Ich will keine steuerfinanzierte Unterstützung. Ich will, wie viele andere auch, Arbeit, um mein Leben selbst und lebenswert zu gestalten.
Mit einer Perspektive für die Zukunft.
Was wir heute brauchen, dass sind Rahmenbedingungen, um schnellstens Arbeitsplätze besonders hier im Osten zu schaffen!

Pierre Fenk


(1) Quelle: offizielle Seite der SPD Arbeitsmarkt Reform (http://www.arbeitsmarktreform.spd.de)