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Dr. Guido Westerwelle
Dr. Guido Westerwelle

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Berliner Zeitung" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten SIGRID AVERESCH und DANIELA VATES:

Frage: Herr Westerwelle, wie wichtig ist es für Sie, als Politiker beliebt zu sein?

WESTERWELLE: Der frühere Bundesaußenminister und FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher hat einmal gesagt, er freue sich darüber, dass sein Wirken bereits zu Lebzeiten anerkannt wird. Dem schließe ich mich an. Ich freue mich über gute Beliebtheitswerte. Aber das wichtigste in der Politik ist doch, dass man für seine Arbeit respektiert wird. Die öffentliche Liebe ist eine launische Braut.

Frage: Besonders beliebt sind immer die Außenminister. Wollen Sie auch deswegen diesen Posten übernehmen?

WESTERWELLE: Das war ein netter Versuch, auf die Diskussion über Ministerämter zu kommen. Doch den stoppe ich hiermit.

Frage: Schade. Aber nicht nur Außenminister sind beliebt. Wirtschaftsminister Theodor zu Guttenberg liegt derzeit vor der Kanzlerin. Klaut der wirtschaftsliberale CSU-Minister der FDP Stimmen?

WESTERWELLE: Warum? Die FDP steht kerngesund da, hat einen immensen Zulauf und keinen Grund zu Futterneid.

Frage: Aber bisher unterschied sich die FDP mit ihren wirtschaftspolitischen Positionen von den anderen Parteien. Macht zu Guttenberg den Liberalen diese Position nicht streitig?

WESTERWELLE: Herr zu Guttenberg hat die Politik der großen Koalition bisher nicht verändern können. Der Linksrutsch der Union in der Wirtschaftspolitik geht ja trotz des von mir sehr geschätzten Ministers munter weiter. Das zeigt: In einer Regierungskoalition kommt es auf den richtigen Partner an. Und das ist die FDP.

Frage: Sie wollen die Union also wieder zu den Thesen ihres Leipziger Parteitags bekehren?

WESTERWELLE: Die Sozialdemokratisierung der Union darf nur eine Episode bleiben. Zum Beispiel muss die Planwirtschaft in der Gesundheitspolitik beendet werden. Sie macht alles teurer und nichts besser.

Frage: An ihre Lösung der einkommensunabhängigen Pauschale glaubt nicht einmal mehr die Union.

WESTERWELLE: Wie viel wir von unseren Zielen in einer Koalition mit der Union durchsetzen könnten, hängt entscheidend davon ab, wie stark uns die Wähler machen. Deutschland braucht dringend ein leistungsgerechtes Steuersystem. Deshalb sollten wir uns erinnern: Die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Republik von 2007 hat nicht nur die SPD, sondern genauso die Union zu verantworten.

Frage: Sie wollen mitten in der Krise die Steuern senken. Wie wollen Sie das finanzieren?

WESTERWELLE: Unsere Steuervorschläge sind anders als bei allen anderen Parteien gegengerechnet. Wir haben etwa 400 Vorschläge gemacht, wie in Deutschland jährlich zweistellige Milliardenbeträge eingespart werden können.

Frage: Zum Beispiel durch Kürzung staatlicher Leistungen?

WESTERWELLE: Nein. Aber es stimmt: Die anderen Parteien halten es für gute Sozialpolitik, Bedürftige durch staatliche Zahlungen ruhig zu stellen. Viel besser ist es, die Fähigkeit zu vermitteln, zurückzufinden in den Beruf, die Energie nicht zu verlieren und gerade der Jugend Möglichkeiten zu Aufstieg durch Bildung zu vermitteln.

Frage: Wir nehmen zur Kenntnis, dass Leistungskürzungsfragen in Wahlkämpfen ungern beantwortet werden. Nehmen wir eine andere Richtung: Muss das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger erhöht werden?

WESTERWELLE: Das Schonvermögen ist zu niedrig. Das ist unvernünftig, weil das den Anreiz nimmt, fürs eigene Alter vorzusorgen. Und es ist ungerecht, weil es die bestraft, die vorgesorgt haben. Wir wollen deshalb das Schonvermögen für private oder betriebliche Altersvorsorge einschließlich der Riester- und Rürup-Renten auf 750 Euro je Lebensjahr verdreifachen. Das ist das Mindeste, was man tun muss.

Frage: Hat die Wirtschaftskrise in Ihrem Denken etwas verändert?

WESTERWELLE: Ja, ich habe mir nicht vorstellen können, dass die Regierung so viel Geld ohne Sinn und Verstand verplempert. Das ist der teuerste Wahlkampf aller Zeiten, und das nur, weil die Regierungsparteien versuchen, ihre schlechte Bilanz mit Steuergeldern zu schönen.

Frage: Wir meinten eigentlich, ob die FDP als Partei des freien Marktes ihre Prämissen ändern muss.

WESTERWELLE: Im Gegenteil. Unsere Haltung in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik ist in der Krise doppelt und dreifach bestätigt worden. Der Liberale bejaht den Staat, entgegen allen Vorurteilen. Für uns ist ein Staat aber dann stark, wenn er sich auf seine wirklichen Hoheitsaufgaben konzentriert, statt sich bis ins kleinste Detail ins Privat- und Wirtschaftsleben einzumischen. Zu den Hoheitsaufgaben gehört eben auch die Bankenaufsicht. Hier hat der Staat nachweislich versagt: Die Zersplitterung der Aufsicht, vor der wir schon vor Jahren gewarnt haben, ist eine der Ursachen dafür, warum manches schief gegangen ist. Wir haben in Deutschland den fetten Staat an der falschen Stelle.

Frage: Das heißt, wenn Sie an die Regierung kommen, klappen Sie den Bankenrettungsschirm wieder zu und streichen die Hilfe für Opel?

WESTERWELLE: Nein. Wir hätten den Schirm anders gespannt. Aber wir kennen unsere patriotische Verantwortung und haben in der Stunde der Not für den Bankenschirm gestimmt. Man muss der FDP nicht erklären, dass es Situationen gibt, in denen man mit der ganz reinen Lehre nicht weiter kommt, sondern in denen eine Portion Pragmatismus nötig ist. Wenn man aber sieht, was in dem Konjunkturprogramm alles versteckt ist, kann man wütend werden. Da geht es um Verkleistern von Politikversagen - bis bin zur künstlichen Absenkung der Krankenkassenbeiträge ein paar Wochen nach der Inkraftsetzung des teuren Gesundheitsfonds.
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Frage: Die Banken sind nach wie vor zurückhaltend in der Kreditvergabe, verteilen aber großzügig Boni. Muss die Regierung mit dem Staatseinstieg drohen?

WESTERWELLE: Nein, ein Staatseinstieg wäre grundfalsch. Die Bundesregierung müsste endlich einen Bankengipfel einberufen, um den Banken ihre Verantwortung für den Mittelstand klar zu machen. Es gibt ständig Gipfel zu allem und jedem, nur nicht, wenn es wirklich nötig ist.

Frage: Sind Sie sich ihres Traumpartners Union eigentlich ganz sicher? Der flirtet ja immer wieder mit den Grünen.

WESTERWELLE: Das ist eine Entscheidungshilfe für die Wähler. Die Union würde mit allen regieren, bei ihr weiß man nicht, in welcher Regierung man landet. Bei der FDP weiß man es - das ist ein Grund, uns zu wählen.

Frage: Sie haben besonders Wert gelegt auf Nähe zu Angela Merkel. Haben sie sich in den Jahren der großen Koalition entfremdet?

WESTERWELLE: Schnaps ist Schnaps und Dienst ist Dienst. Dienstlich bin ich der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion im Bundestag und sie ist als Regierungschefin mitverantwortlich für vier verlorene Jahre.

Frage: Merkel hat zu ihrem Amtsantritt doch ausdrücklich eine Politik der kleinen Schritte angekündigt.

WESTERWELLE: Ich glaube, wir brauchen einen großen Wurf.