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Zu Gast bei der Naumannstiftung
Blumen für Dr. Grasemann
Blumen für Dr. Grasemann

Veranstaltung der Naumannstiftung mit Dr. Hans-Jürgen Grasemann


Hohenleuben, 28. Mai 2009. In den Reußischen Hof nach Hohenleuben hatte die Friedrich - Naumann - Stiftung für die Freiheit eingeladen. Extra aus Halle / Saale angereist war deshalb der Leiter des Regionalbüros Halle, Uwe Lühr, der bei der Begrüßung den Anwesenden Ziele und Arbeit der Stiftung erläuterte. Im Anschluss berichtete der FDP - Kreisvorsitzende und Landesvize Dirk Bergner, selbst in Hohenleuben zu Hause, wie es zu der Veranstaltung gekommen war: Die am Greizer Runden Tisch für Demokratie kooperierenden Parteien hatten vereinbart, die ihnen nahe stehenden politischen Stiftungen zu bitten, Veranstaltungen für die Öffentlichkeit zum Themenkreis Demokratie und Diktatur anzubieten. Dem habe die Naumannstiftung entsprochen. "Dafür sind wir sehr dankbar. Es reicht nicht, Extremismus abzulehnen, man muss auch für demokratische Strukturen werben.", so der 44 - Jährige weiter. Mit dem Braunschweiger Oberstaatsanwalt Dr. Hans - Jürgen Grasemann als Referenten hatte die Naumannstiftung einen profunden Kenner der Materie gewonnen. Schlag auf Schlag berichtete der Jurist aus einer Fülle von Detailwissen, ohne dass es auch nur einen Augenblick langweilig geworden wäre.

Zu Beginn spannte er einen Bogen quer durch die Rechtsbeugung des Dritten Reichs, berichtete davon, wie sich der NS - Staat die Justiz zu Diensten machte, berichtete von über 5.200 Todesurteilen des Volksgerichtshofs, von über jeweils 30.000 Todesurteilen der Sondergerichte und Kriegsgerichte. Immer wieder griff er Einzelschicksale heraus, so etwa das Todesurteil gegen einen 16-jährigen polnischen Jungen. Nazi - Juristen hatten gedrechselte Begründungen bereit, dass das Reichsjugendgesetz nur Deutsche schützen könne und deshalb die Verurteilung zum Tode rechtens sei. "Der Dolch des Mörders war in der Robe des Richters verborgen.", zitierte Grasemann einen Ausspruch aus den Nürnberger Prozessen.

Auch an umstrittene Fragestellungen wagte sich der Jurist: "Kann man NS - Diktatur und SED - Diktatur vergleichen?" Grasemanns klares Fazit: "Vergleichen ja. Nicht jedoch gleichsetzen." Doch gebe es Parallelen, Grundlagen, die sich sehr ähnelten. So die "Parteiherrschaft", der Vorrang einer Ideologie, geheime Staatspolizei und Stasi als Unterdrückungsapparat, der Zwang zentraler Jugendorganisationen und Zensur. Grasemann veranschaulichte zu Beginn die Unrechtsprozesse der 50er Jahre, so z.B. die Waldheimprozesse mit 24 vollstreckten Todesurteilen, die rechtsstaatlichen Normen in keiner Weise gerecht wurden. Auch harmlose "Vergehen" wie das Erzählen von Witzen hatte oftmals verheerende Urteile mit Freiheitsstrafen zwischen 3 und 6 Jahren zur Folge. Dabei zog sich wie ein roter Faden durch die Aufzählung der Verfahren, dass SED - Führung und Staatssicherheit massiv eingriffen, zumeist vorgaben, wie lange zu verhandeln sei und welches Strafmaß dabei herauskommen soll. So zitierte er aus einem Brief von Mielke an Ulbricht, in dem der Stasi - Minister empfahl, das Strafmaß vor dem Prozess festzulegen, "damit die Richter wissen, was sie tun sollen." So hatte Ulbricht eigenhändig Todesurteile verfügt, die dann das Gericht willfährig verkündete und die auch vollzogen wurden. Für den Prozess gegen Rudolf Bahro (Verteidiger Gregor Gysi) gab es ein minutiöses Regiepapier der Stasi, in dem die Freiheitsstrafe von 8 Jahren (handschriftlicher Eintrag Honeckers 8-10 Jahre) bereits vorgegeben war und das die Pressemitteilung von ADN bereits vor Prozessbeginn enthielt. Der Text stand später im Wortlaut im Neuen Deutschland. Auf Nachfrage ging Grasemann auch auf einen Fall ein, der Hohenleuben berührt. Manfred Smolka, als Kind aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach Hohenleuben gekommen, war in dem Städtchen aufgewachsen, diente später in der Volkspolizei und dann an der innerdeutschen Grenze. Nachdem er dort in Konflikte geriet, floh Smolka nach Bayern. Später bekam er eine Falle gestellt, indem ihm ein Freund anbot, Frau und Kind zur Grenze zu bringen. Bei dem Versuch zu fliehen, wurde Smolka angeschossen, zurück auf DDR - Gebiet geholt und auf Befehl von Stasi - Minister Mielke "aus erzieherischen Gründen" hingerichtet. Auch besonders skurrile Urteile hatte der Referent parat. So wurde in den 80er Jahren ein DDR - Bürger nach einem Besuch in der sowjetischen Botschaft zu anderthalb Jahren Haft verurteilt wegen "ungesetzlicher Verbindungsaufnahme".

Angesprochen auf die aktuelle Diskussion darum, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei, bejahte Grasemann, der früher auch als Pressesprecher in der Erfassungsstelle Salzgitter tätig war, dies ganz klar: "Ein Unrechtsstaat", so seine filigrane Definition, "ist ein Staat schon dann, wenn er jederzeit eingreifen könnte." Und: "Demokratie und Rechtsstaat bedingen sich gegenseitig. Einen Rechtsstaat ohne Demokratie gibt es nicht." Insgesamt ein spannender Abend, an dem längst nicht alles ausdiskutiert werden konnte. Doch er käme wieder in die Region, versprach der Niedersachse, der sichtliche Betroffenheit bei den Zuhörern erzeugt hatte. "Und wenn Freiheit das Einzige gewesen wäre, was die Wende gebracht hat, so hätte es sich gelohnt.", reflektierte Dirk Bergner den engagierten Vortrag, als er dem Referenten mit Blumen dankte.

Internetseite der Naumannstiftung