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Medien + Wahlkampf
Guido Westerwelle
Guido Westerwelle

(08.05.2009)
Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte MICHAEL HANFELD:



Frage: Die Fernsehsender warten im Augenblick darauf, dass ihnen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier für ein "Kanzlerduell" zusagen. Das verspricht einigermaßen langweilig zu werden. Was versprechen Sie sich von der Veranstaltung?

WESTERWELLE: Das ist kein "Kanzlerduell", sondern ein Selbstgespräch der Regierung. Es ist auch eine Verhohnepiepelung der Bürgerinnen und Bürger, denn hier werden ja nicht gegensätzliche Meinungen und Modelle abgeglichen, sondern hier unterhält sich die Regierungschefin mit ihrem Stellvertreter.

Frage: Ist es nicht seltsam, dass sich die Sender damit zufriedengeben, das Procedere von den Wahlkampfberatern von Frau Merkel und Herrn Steinmeier vorgegeben zu bekommen?

WESTERWELLE: Die Fernsehsender sollten sich nicht zu den Sekundanten der beiden Regierungsparteien machen. Sie sollten im Interesse der fairen Information der Bürgerinnen und Bürger dafür sorgen, dass auch die anderen Ansichten, die zur Wahl stehen, zum Tragen kommen, sprich: dass auch die Opposition gehört wird. Denn für die nächste Bundesregierung ist es mindestens so entscheidend, ob Herr Lafontaine oder die FDP etwas zu sagen bekommt.

Frage: Sie sind als Parteivorsitzender der FDP und Fraktionschef im Bundestag nur Zuschauer, genau wie die Wähler. Hat Sie einmal jemand gefragt, ob Sie sich mit Angela Merkel oder Frank-Walter Steinmeier "duellieren" wollten?

WESTERWELLE: Nein. Daran kann man auch erkennen, wie groß der Einfluss von Union und SPD mittlerweile ist. Gäbe es eine sogenannte große Koalition in der Wirtschaft, wäre sie vom Kartellamt längst verboten.

Frage: Wie könnten Sie sich ein Modell für den Wahlkampf im Fernsehen vorstellen? Muss es das "Duell" sein - oder eine Runde zu Dritt oder Viert?

WESTERWELLE: Das "Kanzlerduell", das jetzt als Selbstgespräch der Regierungsparteien inszeniert werden soll, ist ja erstmalig 2002 versucht worden, nämlich zwischen Herrn Schröder und Herrn Stoiber. Bis dahin war es eine Selbstverständlichkeit, dass alle im Bundestag vertretenen Parteien vor der Bundestagswahl in einer Runde miteinander diskutieren, damit die Wählerinnen und Wähler wirklich abwägen können. Jetzt soll diese Runde der Parteivorsitzenden das B-Movie sein, und das A-Movie ist die Beschäftigung der Regierung mit sich selbst. Der Hinweis, die moderierenden Journalisten müssten den kritischen Part übernehmen, geht ins Leere, denn Journalisten sind überparteilich und vertreten ja nicht die Opposition. Wenn in einem anderen Land die Opposition ausgeblendet würde, hätte man Zweifel an der demokratischen Verfasstheit.

Frage: Das heißt, Sie haben sich nicht damit abgefunden, im B-Movie an den Katzentisch gesetzt zu werden?

WESTERWELLE: Wir werden unsere Gegenmaßnahmen ergreifen, mit zahlreichen Kundgebungen, natürlich auch in vielen Fernsehsendungen, in Gesprächen im Hörfunk und mit der Presse, aber auch, indem wir über das Internet diejenigen Wählerinnen und Wähler ansprechen, die sich nicht einlullen lassen wollen von Zweien, die gemeinsam die Verantwortung für die vergangenen vier Jahre tragen. Wer will eigentlich die Bilanz dieser Regierung hinterfragen? Soll Herr Steinmeier sagen, was in den letzten vier Jahren falsch gelaufen ist? Wo er doch als Stellvertreter von Frau Merkel mindestens soviel Verantwortung trägt wie die Regierungschefin selbst? Oder umgekehrt? Das alles ist eher eine Farce oder eine Posse und hat mit einer soliden, fairen Information der Bürgerinnen und Bürger nichts zu tun. Leidtragende sind die Zuschauer, denn ihnen wird suggeriert, dass die Auseinandersetzungen zwischen Frau Merkel und Herr Steinmeier die eigentlichen politischen Konfliktlinien in Deutschland seien. Das ist aber definitiv nicht der F all, denn am Abschneiden der Linkspartei und der FDP entscheidet sich vermutlich für Deutschland mehr.

Frage: Welche Bedeutung kommt diesem Fernsehauftritt im Wahlkampf dann überhaupt noch zu?

WESTERWELLE: Das wird schon ein Quotenrenner sein, deshalb sind die Fernsehsender ja auch so dahinter her - unter Vernachlässigung der eigentlichen journalistischen Interessen, in deren Rahmen Meinung und Gegenmeinung, also Regierung und Opposition, abgebildet werden müssten. Es gibt übrigens auch viele Beispiele, dass es anders geht. Als in den Vereinigten Staaten noch mehrere Präsidentschaftskandidaten im Rennen waren, wurden sie alle befragt. Wenn man sich bei uns hingegen ansieht, dass die Regierungschefin ohnehin von den Sendern hofiert wird, ist es schon sehr seltsam, auch noch ein solches Selbstgespräch der Regierung als "Kanzlerduell" verkauft zu bekommen. Abgesehen davon: Der Kanzler steht bei der Bundestagswahl gar nicht zur Wahl. Zur Wahl stehen Parteien. Die Bundestagsabgeordneten wählen den Bundeskanzler. Helmut Kohl hat sich deswegen auch nie in ein solches "Duell" begeben. Bestimmt nicht, weil er nicht schlagfertig genug oder zuwenig selbstbewusst gewesen wäre. Er hat selbst auf dem Höhepunkt seines Ansehens, bei der Wahl im Jahr der deutschen Einheit, ein solches "Kanzlerduell" abgelehnt, weil er wusste, dass es mit der Verfassung und unserem Wahlsystem wenig zu tun hat.

Frage: In diesem Jahr ist das "Kanzlerduell" dann eine doppelte Mogelpackung.

WESTERWELLE: Es ist eine Mogelpackung: Einmal, weil es so tut, als gäbe es keine Opposition, und zweitens, weil die beiden Duellanten gar nicht zur direkten Wahl stehen. Und es ist zum Dritten eine Mogelpackung, weil jeder weiß, dass einige in der Union und in der SPD insgeheim auch die Fortsetzung der sogenannten großen Koalition kalkulieren. Das ist ein seltsames Verständnis von Meinungsvielfalt.

Frage: Sie haben das Beispiel der Vereinigten Staaten genannt. Wäre es nicht für die hiesigen Sender an der Zeit, so etwas wie die "Townhall Meetings" einzuberufen?

WESTERWELLE: Ich fände das hervorragend. Das wäre eine wirkliche Inspiration für ganz viele Bürgerinnen und Bürger, wenn sie ihre Kandidaten vor Land und Leuten befragen könnten. Ich würde es mir als selbstbewusster Fernsehsender auch gar nicht gefallen lassen, dass die Wahlkampfmanager von Frau Merkel und Herrn Steinmeier vorgeben, wie eine solche Sendung aussehen soll. Ein Townhall Meeting mit mehreren Kandidaten, die auch von Betroffenen befragt werden, wäre unserer Demokratie angemessener.

Frage: RTL hat so etwa ja vor, allerdings bis dato nur mit Frau Merkel.

WESTERWELLE: Interessanterweise. Ich gehe davon aus, dass RTL dieses Format nicht nur mit Frau Merkel, sondern auch mit den Repräsentanten der anderen Parteien in den nächsten Monaten durchführen wird. Ich kann mir das gar nicht anders vorstellen, denn RTL ist doch kein Regierungssender.

Frage: Schafft das Internet Entlastung?

WESTERWELLE: Das Internet ist unsere Schleuder im Kampf David gegen Goliath. Das Internet kompensiert teilweise, was uns im Fernsehen an Möglichkeiten fehlt. Wir werden unsere Stimme schon zu Gehör bringen und noch fleißiger sein - auf den steinernen wie auf den virtuellen Marktplätzen.