Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Schweriner Volkszeitung" (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS HERHOLZ:
Frage: Der rechtsextremistische Anschlag auf den Passauer Polizeichef hat Gesellschaft und Politik alarmiert. Wie groß ist die Bedrohung von Rechts in Deutschland?
WESTERWELLE: Was Passau angeht, sollten wir den Ermittlungen nicht vorgreifen. Aber generell beobachte ich, dass sich die politischen Ränder in Deutschland radikalisieren. Die schlimme Denkweise, in Deutschland gäbe es keine echte Demokratie, wird von rechten und linken Wirrköpfen mittlerweile gleichermaßen verbreitet. So etwas ist nicht harmlos, sondern alarmierend. Gegen solche fundamentalen Angriffe muss unsere Bürgergesellschaft ihr Immunsystem stärker aktivieren.
Frage: Wäre ein Verbot der NPD nicht ein erster wirksamer Schritt gegen die rechtsextremistische Gefahr?
WESTERWELLE: Von einem Parteiverbot lässt sich kein Mörder beeindrucken. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat Recht, wenn er wie wir vor einer Aufwertung der NPD durch ein zweites erfolgloses Parteiverbotsverfahren in Karlsruhe warnt. Ich bin so lange gegen ein NPD-Verbotsverfahren, wie keine Aussicht besteht, dass es auch vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg hat. Ein NPD-Verbotsantrag macht erst dann Sinn, wenn wir davon ausgehen können, dass es Erfolg haben wird, denn ich bin Anhänger der wehrhaften Demokratie. Die übergroße Mehrheit der Demokraten in Deutschland muss nicht zusehen, wie rechtsradikales Gesocks versucht, die Republik abzuschaffen.
Frage: Wo bleiben die kritische Auseinandersetzung und das gesellschaftliche Gesamtkonzept im Kampf gegen die Brandstifter?
WESTERWELLE: Wer Gewalttaten begeht, verdient keine psychotherapeutischen Erklärungsversuche, sondern die volle Strafe des Gesetzes. Wer aus extremistischen Szenen aussteigen will, braucht dafür geeignete Aussteigerprogramme. Und wir sollten der Verführbarkeit besonders junger Menschen durch Feinde der Demokratie stärker vorbeugen, indem wir bessere Chancen auf eine gute Bildung, eine solide Ausbildung und berufliche Zufriedenheit schaffen. Wer innerhalb unserer Gesellschaft Anerkennung findet, sucht sie nicht so schnell an rechten oder linken Rändern.