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Dirk Niebel
Dirk Niebel

NIEBEL-Interview für "Sonntag Aktuell" (16.11.2008)

Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab der Stuttgarter Sonntagszeitung "Sonntag Aktuell" das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS BRAUN.

Frage: Herr Niebel, haben Sie dem Neoliberalismus schon abgeschworen?

NIEBEL: Im Gegenteil, ich bin bekennender Neoliberaler.

Frage: So ein böses Wort!

NIEBEL: Es wird nur von anderen böse benutzt. Die Neoliberalen waren diejenigen, die den Nachtwächterstaat abgelöst haben. Die dafür gesorgt haben, dass es Spielregeln gibt. Und dass der Staat, ähnlich wie der Schiedsrichter im Fußballstadion, dafür sorgt, dass diese Spielregeln eingehalten werden. Ich ahne, dass Sie anspielen auf die…

Frage: …auf die Finanzkrise, richtig.

NIEBEL: Der Finanzmarkt ist der am meisten regulierte Bereich der deutschen Wirtschaft und unterliegt einer Staatsaufsicht. Es kommt eben auf die Qualität der Regeln an.

Frage: Inwiefern?

NIEBEL: Auf beiden Seiten des Atlantiks herrschte Staatsversagen - und nicht zuerst Marktversagen. Wie wir sehen mussten, haben dann auch einige Marktteilnehmer total versagt.

Frage: Warum um Himmels Willen haben Sie dann nicht früher die Stimme erhoben?

NIEBEL: Oh, das haben wir! Als die rot-grüne Bundesregierung die zweigeteilte Finanzaufsicht zwischen Bundesbank und BaFin eingeführt hat, wollten wir eine einheitliche Aufsicht, angesiedelt bei der Bundesbank. Außerdem waren unter Schwarz-Gelb Hedgefonds in Deutschland verboten. Erst Kanzler Schröder hat sie eingeführt, und zwar ohne notwendige Transparenzregeln.

Frage: Sie sind offensichtlich der Meinung, der Staat und nicht der Markt habe versagt.

NIEBEL: Ja, so ist es. Auf der amerikanischen Seite gab es gar keine Bankenaufsicht. Und es war dort politischer Wille, dass sich die Menschen kauften, was sie sich nicht wirklich leisten konnten. Hierzulande paralysiert sich die Bankenaufsicht selber. Die 1600 BaFin-Mitarbeiter waren nicht in der Lage, das Milliardenloch bei der Hypo Real Estate zu finden. Wir wollen keine Anarchie. Es soll Regeln geben, sprich: eine vernünftige Ordnungspolitik, die funktioniert.

Frage: Ein sehr elegantes Ablenkungsmanöver, Herr Niebel. Es war doch die FDP, die stets Wörter wie Entriegelung und Deregulierung im Munde führte.

NIEBEL: Die führen wir weiterhin im Munde, weil die Menschen mit unnötiger Bürokratie überzogen werden. Ein sozialer, marktwirtschaftlich orientierter Staat braucht Regeln, in deren Rahmen sich die Marktteilnehmer bewegen können. Aber die Regeln müssen auch eingehalten werden. Deswegen sind wir gegen Monopole und für fairen Wettbewerb. Die meisten Probleme haben wir doch überall dort, wo der Staat meint, besser zu sein als die Privaten. Zum Beispiel auch der bessere Bankier.

Frage: Also bei den Landesbanken?

NIEBEL: Auch hier, aber vor allem bei den Staatsbanken wie KfW und IKB.

Frage: Ist es Ihnen also jetzt ein Gräuel, dass überall die "Staatswirtschaft" Einzug hält?

NIEBEL: Der staatliche Schutzschild war zwingend notwendig, um das System der sozialen Marktwirtschaft und das Geld der normalen Sparer zu schützen. Daher hat sich die FDP als einzige Oppositionspartei staatstragend verhalten, und wir tragen den Schutzschild mit. Wir hätten ihn allerdings gern anders gestaltet. Die englische Version, nach der ihn ab einer bestimmten Eigenkapitalquote alle in Anspruch nehmen müssen, wäre besser gewesen. Sie verhindert Wettbewerbsverzerrungen und Stigmatisierung.

Frage: Sie meinen dieses Sich-Zieren mancher Banken?

NIEBEL: Ja, bei uns herrscht das Prinzip Champignon: Wer den Kopf hebt, kriegt ihn abgeschlagen. Das hilft nicht weiter.

Frage: Wie halten Sie"s mit Konjunkturpaketen?

NIEBEL: Wir brauchen kein Konjunktur-, sondern ein Strukturprogramm. Allein die Vorstellung, dass sich jemand wegen 109 Euro Steuer-Ersparnis einen 28 000 Euro teures Auto kauft, ist doch lächerlich. Wir brauchen jetzt freie Fahrt für Investitionen, die ohnehin angegangen werden müssen.

Frage: In Verkehr und Bildung?

NIEBEL: In Verkehr und vor allem Bildung! Und wir brauchen eine Entlastung breiter Bevölkerungsschichten, nicht nur der Autokäufer.

Frage: Nach allgemeinen Steuersenkungen rufen Sie diesmal aber nicht so laut?

NIEBEL: Wir bleiben dabei: Wir brauchen eine Steuerstrukturreform, damit Privatpersonen wie Betriebe mehr Netto vom Brutto haben. Auch der schwarz-rote Kompromiss zur Erbschaftsteuer taugt nichts: Er ist familien- und mittelstandsfeindlich.

Frage: Ob Erbschaftsteuer oder BKA-Gesetz: Sie ärgern ja gerade mächtig Ihren Wunschkoalitionspartner, die Union.

Frage: Dafür erfreuen wir viele Unionsanhänger mit unserer Standhaftigkeit, wo die Union wankt oder strauchelt. Wir sind die Freie Demokratische Partei. Und wir vertreten die Positionen, die wir für richtig halten. Und wir werben dafür.